Apple: iPad-Werbespot erregt die Gemüter
Im Werbeclip für das neue iPad werden Musikinstrumente, Bücher und Spielzeug zerquetscht, herauskommt ein superflaches Tablet. Apple, einst gefeiert für seine Werbespots, entsetzt damit das Netzpublikum.
Das »1984« von Apple betitelte Werbevideo aus ebendiesem Jahr gilt als Meilenstein, es gehört zur Unternehmensfolklore wie die Rollkragenpullis von Steve Jobs: Eine junge Frau sprengt mit einem Vorschlaghammer die düstere, farblose Weltordnung des Konformismus, es folgt die Ankündigung des Macintosh-Computers.
40 Jahre später zerquetscht eine riesige Hydraulikpresse in einer fensterlosen Fabrikhalle langsam erst eine Trompete, dann ein Klavier, einen Flipperautomaten, weitere Instrumente, Farbtöpfe, schließlich Spielzeuge, Bücher und Kameralinsen. »Move slow and break things»? Zumindest geht alles zu Bruch, während der fröhliche Song »All I Ever Need Is You« von Sonny & Cher erklingt. Als sich die Presse wieder öffnet, liegt da nur noch ein iPad. Tim Cook, der Nachfolger von Steve Jobs, schreibt dazu: »Stellt euch nur all die Dinge vor, die damit erschaffen werden.«
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Aber das Publikum stellt sich etwas ganz anderes vor.
»Alles, was du liebst, ZERSTÖRT«, so fasst etwa der Journalist Ben Mullin den Clip auf X zusammen. »Ernsthaft, was stimmt nicht mit euch?«, fragt die Filmemacherin Justine Bateman Apple. Jemand anderes schreibt: »Werbung, die zeigt, wie schöne Werkzeuge menschlicher Kreativität zerquetscht und durch das neueste und dünnste Gadget ersetzt werden.« Oder etwas ausführlicher: »Was für ein unglaubliches Eigentor von Apple. Zu einer Zeit, in der sich Künstler, Musikerinnen und Kreative mehr denn je sorgen, dass Techunternehmen versuchen, sie für ihren eigenen Profit zu Staub zu zermalmen, kommt Apple mit einer Anzeige, deren einzige Botschaft lautet: Ja, das ist genau das, was wir tun.«
Rückwärts wird es besser
Mullins erkennt sogar eine Symmetrie zum »1984«-Clip: Damals habe eine Dissidentin einen Hammer in einen Bildschirm geschleudert und damit die Macht der Menschen zur Eroberung der Technik symbolisiert. Nun zerstöre eine Hydraulikpresse »geliebte kulturelle Artefakte« und symbolisiere damit »die Macht der Technik, die Menschheit zu erobern«.
Jemand hat den Clip versuchsweise rückwärts laufen lassen, vielleicht auf der Suche nach einer satanischen Botschaft, wie man sie einst in Led Zeppelins »Stairway to Heaven« zu hören glaubte – oder doch nach dem Guten in Apple? Es scheint den geschundenen Seelen der Apple-Interessierten jedenfalls zu helfen. Die veränderte Botschaft sei »erstaunlich schön«, meint einer.
Den vielleicht aussagekräftigsten Netzfund aber machte Andy Allen aus Alaska: einen Werbespot des koreanischen Handyherstellers LG aus dem Jahr 2008. Darin zerstört eine Hydraulikpresse – Sie ahnen es – Musikinstrumente, Farbbehälter und Kameralinsen, am Ende bleibt ein Smartphone übrig. Aber es gibt einen großen Unterschied: Im Apple-Clip kommt die große Presse von oben, bei LG von der Seite. Das ist natürlich etwas völlig anderes.