Diese Behauptung zu Klagen gegen Ursula von der Leyen ist falsch

Die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) prüft aktuell Vorwürfe gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Corona-Impfstoffen. Von der Leyen wurde jedoch nicht persönlich von der “New York Times” wegen des Vorwurfs der Korruption verklagt, wie es in sozialen Medien fälschlich heißt. Zwar gibt es aktuell eine Klage der US-amerikanischen Tageszeitung zum Ankauf von Covid-19-Impfstoffen. Diese richtet sich jedoch gegen die EU-Kommission. Hierbei geht es um die Herausgabe von Textnachrichten.

“SKANDAL” heißt es in einem Beitrag auf Instagram von Mitte März 2024, der über 120.000 Mal angesehen wurde. “Ursula von der Leyen wurde von der New York Times wegen Amtsanmaßung und Titelmissbrauch, Vernichtung öffentlicher Dokumente und Korruption verklagt”, schreibt ein User darin. In “unseren Nachrichten” würde davon nicht berichtet werden, so die Behauptung weiter. Gegenstand seien Geschäfte mit dem Pharmaunternehmen Pfizer in der Höhe von 35 Milliarden Euro, heißt es.

Auch auf mehreren deutschsprachigen Websites erscheint die Behauptung (etwa hier, hier und hier). Artikel mit der Aussage wurden zudem auf Facebook geteilt.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 10. April 2024

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist aktuell im Zusammenhang mit Ermittlungen zur Impfstoffbeschaffung der EU in den Medien. Die derzeit verbreitete Aussage zu von der Leyen diesbezüglich ist jedoch falsch.

AFP hat in der Vergangenheit bereits mehrfach falsche Aussagen zu Corona überprüft. Alle Faktenchecks zu Covid-19 sammelt AFP hier. Zu von der Leyen kursieren ebenfalls zahlreiche Falschbehauptungen. Diese hat AFP etwa hier, hier und hier überprüft.

Klage gegen EU-Kommission

Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Corona-Pandemie verbreitete sich die Falschbehauptung, von der Leyen sei von der US-amerikanischen Tageszeitung “The New York Times” wegen “Amtsanmaßung und Titelmissbrauch, Vernichtung öffentlicher Dokumente und Korruption” verklagt worden. Hierzulande werde darüber jedoch gar nicht berichtet.

Tatsächlich finden sich in deutschen und auch ausländischen Medien zahlreiche Berichte über eine Klage der US-amerikanischen Tageszeitung, wie eine Stichwortsuche ergab (etwa hier, hier und hier). Aus Medienberichten geht jedoch nicht hervor, dass es sich um eine Klage gegen von der Leyen persönlich handelt. Auch von “Amtsanmaßung und Titelmissbrauch, Vernichtung öffentlicher Dokumente und Korruption” ist in den Artikeln nicht die Rede.

Viel eher ist zu lesen, dass die “New York Times” beim EU-Gericht (EuG) gegen die EU-Kommission vorgeht, weil diese Chats zwischen Kommissionspräsidentin von der Leyen und dem CEO des Pharmaunternehmens Pfizer, Albert Bourla, nicht veröffentlicht hat. Im Sinne der Transparenz ist die EU grundsätzlich verpflichtet, Informationen über politische Entscheidungen und Ausgaben offenzulegen.

Inhaltlich geht es dabei um eine Vereinbarung zwischen der EU und dem Pharmaunternehmen Pfizer, das im April 2021 abgeschlossen wurde. Der Deal hatte die Lieferung von 1,8 Milliarden Corona-Impfstoffdosen umfasst, das Vertragsvolumen wurde damals auf 35 Milliarden Euro geschätzt. Von der Leyen hatte diese Vereinbarung laut “New York Times” per Chat getroffen. Von der Kommission sind die Nachrichten auf Anfrage jedoch nicht offengelegt worden, woraufhin die Zeitung im Januar 2023 gegen diese klagte – nicht jedoch gegen von der Leyen persönlich. Das zeigen auch offizielle EU-Dokumente. Ziel ist demnach der Zugang zu Informationen. Aktuell ist das Verfahren noch anhängig.

Auf Anfrage hat die Pressestelle der “New York Times” die geteilte Behauptung nicht bestätigt. In einer Stellungnahme gegenüber AFP vom 9. April 2024 hieß es, dass es von Seiten der Zeitung kein Kommentar dazu gebe.

Ermittlungen der EUStA

In dem Posting wird weiter behauptet, dass sogar die Europäische Staatsanwaltschaft (EStA) gegen von der Leyen ermittle. Gegenstand seien die Geschäfte mit dem Pharmaunternehmen Pfizer in der Summe von 35 Milliarden Euro, heißt es. Tatsächlich gibt es aktuell noch andere Verfahren – neben der angeführten Klage der “New York Times” gegen die Europäische Kommission.

Im April 2023 stellte ein Geschäftsmann in Belgien Strafanzeige gegen von der Leyen, wie zahlreichen Artikeln (etwa hier und hier) zu entnehmen ist. Im Zuge des Impfstoff-Deals mit Pfizer wirft er ihr Aneignung von Funktionen, die Vernichtung öffentlicher Urkunden und Korruption vor, wie aus Medienberichten hervorgeht. Im Mai 2023 zog der Belgier zudem vor das EuG in Luxemburg. Vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wurde die Klage jedoch abgewiesen.

Laut Berichten hat die EUStA den Fall von der belgischen Staatsanwaltschaft übernommen. Auch in sozialen Medien wird aktuell erklärt, dass die EUStA gegen von der Leyen ermittle. Auf AFP-Anfrage hieß es von Seiten der EUStA am 10. April 2024, dass diese bereits im Oktober 2022 angekündigt habe, eine Untersuchung über den Erwerb von Impfstoffen in der EU während der Pandemie durchzuführen. “Diese Untersuchung ist noch im Gange, und wir können zum jetzigen Zeitpunkt nichts mitteilen, um das Ergebnis der Untersuchung nicht zu gefährden”, wurde erklärt.

Anders als in sozialen Medien behauptet, wurde in Deutschland und international auch über diese Geschehnisse mehrfach berichtet.

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht zu Medien nach einem Treffen zwischen dem US-Außenminister und dem armenischen Premierminister am 5. April 2024 in Brüssel Johanna Geron POOL

Behauptung eines EU-Abgeordneten

Eine Stichwortsuche mit dem genauen Wortlaut der Behauptungen führte AFP zu deutschen Blogeinträgen aus 2023. Darin wird der deutsche EU-Abgeordnete Martin Sonneborn von der Satirepartei “Die Partei” zitiert: “Eine Kurznachricht aus dem EU-Parlament an Frau Leyen: Wussten Sie, dass wegen Ihrer gelöschten Pfizer-SMS mittlerweile nicht nur Ihre Kommission verklagt wird, von der ‘New York Times’, sondern auch Sie persönlich? In der deutschen Presse war davon ja nichts zu lesen, deshalb dachte ich, ich sag’s Ihnen mal. Beschuldigt werden Sie wegen Amtsanmaßung und Titelmissbrauch, Vernichtung öffentlicher Dokumente und Korruption. Während jedes Käseblatt in Deutschland (…) über Ihr dahingeschiedenes Pony berichtet hat, interessiert sich niemand dafür, dass sogar die Europäische Staatsanwaltschaft gegen Sie ermittelt. In den SMS ging es um die Bestellungen von 1,8 Milliarden Dosen (…) Pfizer. Für 35 Milliarden Euro.”

Aus Aufzeichnungen des EU-Parlaments geht hervor, dass der Satiriker diese Behauptungen tatsächlich am 8. Mai 2023 in Straßburg getätigt hat. Auch auf Youtube finden sich Aufnahmen davon. Aus dem Büro von Sonneborn hieß es auf AFP-Anfrage am 9. April 2024 dazu jedoch: “Die Klage der ‘New York Times’ und die Verfahren gegen Frau von der Leyen sind selbstredend unterschiedliche Vorgänge, weshalb diese in zwei unterschiedlichen Satzteilen angesprochen werden.” Es habe schon zum damaligen Zeitpunkt neben der Klage der Tageszeitung eine Reihe anderer Verfahren wie etwa das des belgischen Unternehmers gegeben, hieß es unter Verweis auf Medienberichte (hier und hier).

Fazit:Online heißt es fälschlich, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei von der “New York Times” persönlich wegen des Vorwurfs der Korruption verklagt worden. Zwar gibt es aktuell eine Klage der US-amerikanischen Tageszeitung im Zusammenhang mit Auskunftsrechten zur Beschaffung von Corona-Impfstoffen. Diese richtet sich jedoch gegen die EU-Kommission und betrifft die Herausgabe von Textnachrichten. Eine weitere Klage gegen von der Leyen stammt von einem belgischen Unternehmer.

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