Weltverbesserer: Die Wissenschaftler des Jahres 2024

weltverbesserer: die wissenschaftler des jahres 2024

Tobias Erb ist Biologe und Chemiker am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg.

Tobias Erb

weltverbesserer: die wissenschaftler des jahres 2024

Heino Falcke ist Professor an der Radboud-Universität in Nijmegen und Radioastronom.

Vom Treibhausgas Kohlendioxid haben wir zu viel in der Atmosphäre. Wie wäre es, wenn wir es der Luft entziehen und dann auch noch nützliche Substanzen daraus machen? Das klang lange nach Science-Fiction, und Chemiker nennen das immer noch eine Traumreaktion. Denn Kohlendioxid ist ein extrem stabiles Molekül, es zu knacken erfordert viel Energie. Pflanzen und Mikroorganismen nutzen dazu die Strahlung der Sonne. Die Natur zum Vorbild genommen hat sich Tobias Erb, Biochemiker am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie. Er entwickelt künstliche Photosynthesesysteme, die Kohlendioxid aufnehmen und umwandeln. Die Idee dafür kam ihm vor zehn Jahren, als er noch Nachwuchsforscher an der ETH Zürich war. Im Jahr 2016 hat er den ersten Photosynthesezyklus aus seinem Labor veröffentlicht, der auch mit dem Kohlendioxid aus der Atmosphäre arbeitet. Um Kohlendioxid in nennenswerten Mengen umzusetzen, und das in einem industriellen Verfahren, war dieses System aus 17 verschiedenen Enzymen zu kompliziert. Aber die Arbeit zeigte: Künstliche Photosynthese funktioniert.

weltverbesserer: die wissenschaftler des jahres 2024

Die Natur ist konservativ

Erb ließ es nicht dabei bewenden: In diesem Jahr beschrieb er ein weiteres System, das mit elf Enzymen auskommt. Ein noch etwas einfacheres System ist ebenfalls fertig und wurde im Labor bereits in einen Mikroorganismus eingebaut.

Die Natur hatte mehrere Milliarden Jahre Zeit, die Photosynthese zu entwickeln. Warum glaubt Erb, dass er in wenigen Jahren ein effizienteres System schaffen kann? Die Natur habe die verschiedenen Wege der Photosynthese nach dem Zufallsprinzip gefunden, entgegnet er, „Die Natur ist nicht unbedingt genial, sondern sie ist auch sehr konservativ.“ Sobald etwas funktioniere, ändere sich daran nicht mehr viel. Im Labor könne er systematisch arbeiten und alle Möglichkeiten ausprobieren. „Wir haben jetzt schon gezeigt, dass wir die Photosynthese verbessern können.“

Er rechnet damit, dass in etwa zehn Jahren Systeme, wie er sie entwirft, in größerem Maßstab dazu beitragen werden, Kohlendioxid zu binden. Frauke Zbikowski

Heino Falcke

Am 17. November 2023 wurde in Bern der Balzan-Preis verliehen. Der ist nicht so bekannt wie der Nobelpreis, aber pro Preisträger zumeist höher dotiert. Es gibt ihn auch in Feldern, für die keine Nobelpreise verliehen werden. Das Arbeitsgebiet von Heino Falcke, einem der drei in diesem Jahr geehrten Forscher, gehört nicht dazu. Der gebürtige Kölner ist Professor an der Radboud-Universität in Nijmegen und Radioastronom. Prämiert wurden in Bern Falckes Beiträge zur Realisierung des „Event Horizon Telescope“ (EHT). Das ist ein globaler Verbund von Observatorien für sehr kurzwellige Radiostrahlung, dessen Auflösungsvermögen dem einer Teleskopschüssel von Erdgröße entspricht. Damit gelang es 2017, in der Galaxie M87 zum ersten Mal, ein Schwarzes Loch sichtbar zu machen.

Genauer gesagt, dessen „Schatten“. Das Schwarze Loch selbst – sein sogenannter Ereignishorizont – wäre selbst bei supermassereichen Exemplaren wie dem im Zentrum von M87 vom EHT nicht aufzulösen gewesen. Im Jahr 2000 aber war Heino Falcke darauf gestoßen, dass Schwarze Löcher infolge der Krümmung von Lichtstrahlen in ihrem extremen Gravitationsfeld ihr eigenes Bild zu besagtem „Schatten“ vergrößern. Das gab den Anstoß zur Entwicklung des EHT, dessen Daten 2022 schließlich auch ein Schattenbild des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer eigenen Galaxie lieferten.

Die Technik wird nun von einer großen Gruppe von Astronomen weitergetrieben und hat Potential, den Blick der Astronomen auf das Universum abermals auszuweiten. Die damit gewonnenen Bilder dürften auch im kommenden Jahr mehr und schärfer werden. Mit 57 Jahren ist Falcke jung genug, um an den Forschungen, die dadurch möglich wurden, noch lange teilzunehmen. Und ja, es gibt Balzan-Preisträger, die später auch den Nobelpreis bekamen, im Jahr 2020 etwa Reinhard Genzel, Balzan-Preisträger 2003. Ulf von Rauchhaupt

Katalin Karikó

Was können wir morgen von einer Stehauf-Biologin erwarten, die vor zehn Jahren in ihrem sechsten Lebensjahrzehnt zwangspensioniert wurde, die frustriert war und von anderen gedemütigt, die man ignoriert und finanziell am langen Arm hat verhungern lassen – und der dann, Ende 2023, doch die höchste wissenschaftliche Würdigung der Welt zuerkannt worden ist? Katalin Karikó ist Medizin-Nobelpreisträgerin. Die vielleicht schil­lernds­te, weil am steilsten aufsteigende Lichtgestalt am akademischen Himmel, von wo manchmal solche Persönlichkeiten wie Kai aus der Kiste heraustreten und sich anschicken, mit dem Produkt ihrer Genialität die Welt umzukrempeln.

Sie lässt nicht locker

Im Falle der gebürtigen Ungarin geht es um mRNA-Moleküle. Konkret: um Impfstoffe, Krebsmittel, eigentlich um neue Heilversuche an allen medizinischen Fronten. mRNAs sind die Botenstoffe im Körper, programmiert in der Sprache des Erbguts, die aus den Bauplänen in den Zellen biologisch aktive Einzelmoleküle hervorbringen. Vierzig Jahre lang davor hatte sich kaum jemand dafür interessiert, was sie in ihrem Labor so treibt. Anfang 2020, als die Welt sich anschickte, vor einem gefährlichen neuen Coronavirus in die Knie zu gehen, war sie es, die in Mainz an der Seite der Biontech-Gründer das von ihr und dem Amerikaner Drew Weissman gegen so viele Widerstände entwickelte mRNA-Verfahren einem mutigen Realitätstest unterwarf.

„Lichtgeschwindigkeit“ hieß das Projekt. Inzwischen sind viele Milliarden Dosen der Corona-Impfstoffe verabreicht und Abermillionen Menschenleben damit gerettet worden. Dabei soll es aber nicht bleiben. Karikó, Mutter einer mehrfachen Olympiasiegerin und Ruderweltmeisterin, will als Biontech-Beraterin mit ihrer mRNA-Technik sehr schnell Tumoren angehen. Die ersten vielversprechenden Studien gegen unterschiedliche Krebsarten wurden noch vor der Nobelpreisverleihung bekannt. Ihr Lebensmotto: Versuche nie, was du nicht ändern kannst. Sie lässt nicht locker, daraus könnte ein medizinischer Durchbruch werden. Joachim Müller-Jung

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