Elektroauto made in der Türkei: Wie fährt sich der Togg T10X?

Mit Togg gibt es eine neue Elektro-Automarke aus der Türkei. In der Heimat ist das SUV T10X schon unterwegs, in Deutschland soll es ihn ab Herbst 2024 geben. Lohnt sich das Warten? Erste Testfahrt, Bilder, Daten.

  • Toggs erstes Modell ist ein Elektro-SUV
  • Zwei Batteriegrößen für 314 bzw. 523 Kilometer Reichweite
  • Preis in der Türkei: Ab umgerechnet 41.000 Euro

Aller Anfang ist schwer: Vom ersten türkischen Auto, dem Devrim, gab es 1961 gerade mal vier Exemplare. Und selbst wenn es der Anadol danach auf immerhin rund 80.000 Einheiten gebracht hat, ist das jetzt schon bald 40 Jahre her. Seitdem hat sich die Türkei lediglich als Produktionsstätte für Ford, Fiat, Renault oder Toyota erwiesen, die in guten Zeiten 1,5 Millionen Autos pro Jahr unter fremder Flagge montieren.

Vor gut zehn Jahren gab Staatschef Recep Tayyip Erdoğan dann den Anstoß für einen lokalen, natürlich voll elektrischen Autohersteller: “Türkiye’nin Otomobili Girişim Grubu” (TOGG), finanziert von industriellen Schwergewichten aus dem Handel, der Telekommunikation, der Elektronik sowie dem Maschinenbau und geführt vom ehemaligen Bosch-Manager Gürcan Karakas.

2018 gegründet, hat Togg Erdogan schon 18 Monate später zwei Prototypen präsentieren lassen und in Gemlink auf der asiatischen Seite des Bosporus eine Fabrik für später mal 175.000 Autos im Jahr aus dem Boden gestampft. Ihr erstes Produkt, das SUV T10X, fährt schon seit einigen Monaten auf türkischen Straßen.

Togg T10X: Nobler Newcomer

Mit einer Länge von 4,60 Metern tritt der T10X an gegen Autos wie den VW ID.4 oder den Škoda Enyaq – und passt in dieses Umfeld nicht nur wegen des Formats, sondern auch wegen der Form. Schließlich stammt die aus der Feder des ehemaligen VW-Designchefs Murat Günak. Der hat zusammen mit dem italienischen Designstudio Pininfarina ein Auto gezeichnet, das vor allem wegen seines im Grunde nutzlosen, aber noblen Kühlergrills eher klassisch denn futuristisch wirkt. Dafür ist es wohl proportioniert und gefällig – wenn auch ein bisschen austauschbar.

Zumindest, bis man sich hinters Lenkrad setzt. Nein, nicht wegen der Platzverhältnisse. Denn auch wenn die Skateboard-Plattform stolze 2,98 Meter Radstand bietet und man selbst hinten deshalb solide sitzen kann, ist der Togg kein Raumriese und das Gepäckabteil mit 441 bis 1515 Litern auch nur durchschnittlich. Doch dafür überrascht er mit einer Bildschirmlandschaft, die ihresgleichen sucht – und zwar in Europa wie in Asien. Wie damals von Byton versprochen und von Mercedes etwa beim EQS bis heute nur imitiert, spannt sich der Screen hier tatsächlich über die gesamte Fahrzeugbreite und wird zudem flankiert von einem zweiten Display darunter, auf dem der Fahrer oder die Fahrerin zum Beispiel Klima & Co einstellt.

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Heimat im Bosporus: Der Togg T10X ist ein Neuling

Elektro-SUV als “Mobile Smart Device”

Aber die digitale Spielwiese braucht Togg-Chef Karakas auch. Schließlich sieht er den T10X weniger als Auto, denn als digitales Device auf Rädern und will sein Geschäft auch eher mit digitalen Dienstleistungen machen als mit dem Fahrzeugverkauf. Deshalb gibt es ein ganzes Ökosystem, das ein bisschen ans Payback-Universum erinnert und einzigartig ist in der Autowelt. Schließlich hat Togg dafür sogar eine eigene digitale Währung ausgegeben und Partner wie Turkish Airlines, Energieversorger, Versicherer und sogar die Finanzämter mit ins Boot geholt. “In welchem Auto können Sie sonst während der Fahrt ihre Steuererklärung abgeben?”, fragt Karakas provokant.

Nicht, dass danach bislang jemand gefragt hätte. Aber Togg ist stolz darauf, dass im T10X fast alles geht, was auch im Büro, auf dem Handy oder im Wohnzimmer funktioniert. Und bisweilen sogar ein bisschen mehr, denn die Steuergeräte generieren auch digitale Kunst als Bildschirmschoner und speisen das besondere Radio: Aus einem Standard von 2000 Instrumentals komponiert eine künstliche Intelligenz in ganz unterschiedlichen Genres bei jeder Fahrt neue und einmalige Musik. Auf solche Ideen muss man erst einmal kommen.

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Außergewöhnlich digital: Togg setzt konsequent auf smarte Lösungen im Innenraum

Togg T10X: Bis 523 km Reichweite

Doch auch ein Smart Device auf Rädern muss seine Insassen von A nach B bringen. Bei der konventionellen Technik wurde daher nicht gekleckert, sondern geklotzt. Das gilt für den Antrieb mit einem oder zwei Bosch-Motoren von jeweils 218 PS und 350 Nm, die den Zweitonner im besten Fall in 4,8 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen und eine Höchstgeschwindigkeit von 185 km/h ermöglichen.

Das gilt für das kommode Fahrverhalten mit einer souveränen Federung und einem Heer von Assistenten, die lange nicht so nervös und deshalb nervig sind wie bei chinesischen Modellen. Und das gilt erst recht für die Akkus, die aus chinesischen Zellen direkt neben dem Werk im Joint Venture mit Farasis in Blöcke gepackt werden. Schon ab 2026 soll es hier sogar eine eigene Zellfertigung geben.

Zur Wahl stehen für den T10X 52,4 oder 88,5 kWh, die für bis zu 523 Norm-Kilometer reichen. Und beim Laden blamiert der Newcomer die alte Garde gewaltig: 22 kW am Wechsel- und 180 kW am Gleichstrom können VW & Co längst noch nicht durchgängig bieten.

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Togg T10X: Ladetechnik auf hohem Niveau

Farben mit türkischem Lokalkolorit

Bei der Ausstattungsversion V2 sind 19-Zoll-Leichtmetallfelgen, Abstandstempomat, elektrische Heckklappe, Kunstlederausstattung, eine farblich variable Ambientebeleuchtung, elektrisch verstell- und beheizbare Vordersitze sowie Heizungen für Windschutzscheibe und Rücksitze an Bord. Auch zeitgemäße Assistenzsysteme wie unter anderem ein Toter-Winkel-Assistent, Querverkehrs- und Müdigkeitswarner und ein automatischer Einparkassistent sind mit von der Partie.

Bei der Auswahl der Farben zeigt sich Lokalkolorit. Die Lackierungen seien von der “natürlichen Schönheit der Türkei inspiriert”, wie der Hersteller im Pressetext vermeldet. So rollt der T10X entweder in “Gemlik-Blau”, “Anatolia-Rot”, “Oltu-Schwarz”, “Kula-Grau”, “Kappadokien-Beige” oder “Pamukkale-Weiß” vom Hof.

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Die verfügbaren Lackierungen sind vielfältig und nähren das Lokalkolorit der Marke

Preis: Ab rund 41.000 Euro

In der Türkei ist das Erstlings-SUV schon gut angelaufen. In nur acht Stunden haben sie so viele Elektroautos verkauft, wie alle Marken zusammen im gesamten Jahr davor, nach 18 Stunden war die Jahresproduktion von 20.000 Autos verkauft. Damit das kein Strohfeuer bleibt, hat Togg gleich mal 1000 Fast-Charger mit 180 kW aufwärts bestellt, mit denen die Firma analog zu Tesla ihr eigenes Ladenetz in der Türkei aufbaut.

Die Ziele von Togg sind ambitioniert: 2030 will die türkische Marke jährlich eine Million Autos produzieren. Im Herbst diesen Jahres sollen außerdem einige tausend Modelle auch für den deutschen Markt zur Verfügung stehen. Über den hiesigen Preis ist noch nichts bekannt, in der Türkei werden umgerechnet mindestens 41.000 Euro für einen Neuwagen fällig.

Hier finden Sie viele weitere Neuvorstellungen, Fahrberichte und Autotests.

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