Angriff auf SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden: Zeuge ordnet Täter rechtem Spektrum zu
Nachdem der SPD-Europakandidat Matthias Ecke in Dresden beim Plakatieren schwer verletzt wurde, gibt es bundesweit Bestürzung. Innenministerin Faeser kündigt hartes Vorgehen an. Und auch ein Grünen-Mitglied wurde angegriffen.
SPD-Europakandidat Matthias Ecke wurde in Dresden beim Plakatieren angegriffen und verletzt. © Marion Doering
Dresden. Der sächsische SPD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Matthias Ecke, ist am späten Freitagabend gegen 22.30 Uhr in Dresden-Striesen beim Plakatieren angegriffen worden. Der Politiker wurde dabei schwer verletzt und muss im Krankenhaus operiert werden. Das teilte die sächsische SPD am Samstag mit. Auch bei anderen Plakatier-Teams habe es Einschüchterungsversuche, Plakatzerstörungen und Beleidigungen gegeben, hieß es.
Die Polizei bestätigte die Attacke und ermittelt auch im Zusammenhang mit einem weiteren Vorfall. Vor dem Angriff auf Ecke soll ein 28-jähriger Wahlhelfer der Grünen geschlagen, getreten und verletzt worden sein. Wegen übereinstimmender Personenbeschreibung geht die Polizei von der gleichen Tätergruppe aus.
Bei den Angreifern auf den SPD-Europaabgeordneten handelt es sich nach Polizeiangaben um junge Männer zwischen 17 und 20 Jahren. Alle vier seien Zeugenaussagen zufolge dunkel gekleidet gewesen, sagte ein Polizeisprecher am Samstag. Ein Zeuge habe die Angreifer dem rechten Spektrum zugeordnet.
Die Task Force Gewaltdelikte des Landeskriminalamts ermittelt weiterhin, die Polizei sucht auch noch weitere Zeugen des Vorfalls.
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Angriff auf Wahlkämpfer in Dresden: “Wir lassen uns nicht mundtot machen!”
Laut Sachsens Innenministerium gab es seit Jahresbeginn 112 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit Wahlen – davon 30 gegen Amts- bzw. Mandatsträger. Bereits in der ersten Woche des Wahlkampfes seien 51 Straftaten wegen beschädigter Wahlplakate registriert worden. Die SPD warnt vor den aggressivsten Wahlkämpfen seit Jahrzehnten.
Die Vorsitzenden der Sachsen-SPD, Henning Homann und Kathrin Michel, bezeichneten den Angriff als besorgniserregendes Zeichen für die Demokratie im Land. “Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen und wir beobachten und erfahren schon jetzt ein Ausmaß an Übergriffen, das unter keinen Umständen auch nur ansatzweise akzeptabel ist.” Klar sei für die SPD aber auch: “Wir lassen uns nicht mundtot machen!”
Die sächsischen Grünen verurteilen ebenfalls den Angriff auf Ecke und ihr Parteimitglied. Demnach habe es Angriffe auf zwei grüne Plakatierteams gegeben, das zweite wurde jedoch nicht körperlich angegriffen, nur aggressiv bedroht. Das verletzte Parteimitglied konnte ambulant versorgt werden. Der Kreisvorsitzende in Dresden, Klemens Schneider, kündigte die Erhöhung der Sicherheitsvorgaben für Wahlkampfaktionen an, machte jedoch deutlich, dass man sich nicht einschüchtern lasse. “Zur Stunde sind unsere Mitglieder bereits wieder an mehreren Infoständen im Stadtgebiet aktiv”, so Schneider.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Samstag, sie verurteile die schwere Gewalttat aufs Schärfste. Zugleich kündigte sie ein hartes Vorgehen des Rechtsstaats an. Faeser sagte: “Wenn sich ein politisch motivierter Anschlag auf den Europaabgeordneten Matthias Ecke wenige Wochen vor der Europawahl bestätigt, dann ist diese schwere Gewalttat auch ein schwerer Angriff auf die Demokratie. Wir erleben hier eine neue Dimension von antidemokratischer Gewalt.”
Sie fügte an, Extremisten und Populisten, die mit völlig entgrenzten verbalen Anfeindungen gegen demokratische Politikerinnen und Politiker ein zunehmendes Klima der Gewalt schürten, trügen eine Mitverantwortung dafür, dass es immer häufigere Attacken gebe. “Der Rechtsstaat muss und wird hierauf mit einem harten Vorgehen und weiteren Schutzmaßnahmen für die demokratischen Kräfte in unserem Land reagieren. Ich werde darüber sehr schnell mit den Innenministerinnen und Innenministern der Länder beraten.”
Bundesweite Solidarität für Matthias Ecke
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) verurteilte die Tat und versprach Aufklärung: “Jeder einzelne Fall wird akribisch ermittelt und konsequent verfolgt werden. Hierzu hat das Dezernat Staatsschutz der Kriminalpolizei die Ermittlungen aufgenommen. Jeder dieser Angriffe trifft uns alle, es geht um nicht weniger als unsere freien, gleichen, allgemeinen, unmittelbaren und geheimen Wahlen”, teilte das sächsische Innenministerium am Samstag mit. Die steigende Intensität der Attacken sei beunruhigend, der Schutz von Mandatsträgern habe hohe Priorität für die Polizei.
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Der Dresdner CDU-Chef Markus Reichel teilte mit: “Mit großer Bestürzung erfuhr ich heute vom tätlichen Angriff auf ein Team um Matthias Ecke, der für seine Partei, die SPD, Wahlplakate aufhängen wollte.” Gewalt verbiete sich, unabhängig von der politischen Richtung. “Auch unsere Wahlkämpfer sind bislang Pöbeleien und Beleidigungen ausgesetzt. Es ist wichtig, dass Demokraten hier zusammenstehen und diesen Attacken entschieden entgegentreten.”
Michael Kretschmer: “Erinnert an dunkelste Epochen”
Nach Bekanntwerden des Angriffs gibt es bundesweit Solidaritätsbekunden für Matthias Ecke. Die SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil äußerten sich am Samstag in einer Mitteilung zum Vorfall. “Dieser hinterlistige Angriff macht unsere gesamte Partei betroffen. Er ist ein Angriff auf alle Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer, die mit Leidenschaft für unsere Demokratie und den Rechtsstaat eintreten”, hieß es. “Die Täter wollen uns als Repräsentanten einer demokratischen Gesellschaft einschüchtern. Aber das wird ihnen niemals gelingen.” Man erwarte, dass die Tat aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen würden.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer schrieb auf “X”: “Die Attacke auf SPD-Spitzenkandidat Matthias Ecke entsetzt mich zutiefst und ist durch nichts zu rechtfertigen. Wir #Sachsen werden die faire Wahlwerbung entschieden verteidigen. Angriffe und Einschüchterungen von politischen Mitbewerbern kennen wir aus den dunkelsten Epochen unserer Geschichte.”
SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil schrieb: “Ich bin wütend und entsetzt über diese Gewalttat, die auch ein Angriff auf die Demokratie ist. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) schrieb: “Es ist für mich einfach nicht fassbar, wie viel Hass und Menschenverachtung die Rechten in unserem Land inzwischen haben.” Sachsens Sozialminister Petra Köpping (SPD) schrieb: “Der Angriff auf Matthias Ecke und auf Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer ist ein Angriff auf unsere Demokratie. Wir kämpfen hier in Sachsen weiter, um sie zu verteidigen!”
Auch Vertreter anderer Parteien verurteilten den Angriff. Der sächsische Grünen-Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh schrieb: “Wer andere angreift, zeigt nur seine eigene Schwäche”. Die Linke Sachsen schrieb: “Bedrohungen und Angriffe haben schockierende Ausmaße angenommen. Jeder Angriff ist ein Angriff auf die Demokratie.” Sachsens FDP-Generalsekretär Philipp Hartewig schrieb: “Wir steuern in eine brandgefährliche Richtung, wenn Politiker auf offener Straße angegriffen & schwer verletzt werden. Gewalt hat in einer Demokratie nichts verloren!”.
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla schrieb: “Physische Angriffe gegen Politiker aller Parteien verurteilen wir zutiefst. Wahlkämpfe müssen inhaltlich hart und konstruktiv, aber ohne Gewalt geführt werden”, schrieb der selbst aus Sachsen stammende Bundespartei- und Bundestagsfraktionschef am Samstag auf der Internet-Plattform X. “Ich wünsche Herrn Matthias Ecke viel Kraft und rasche Genesung.” Politiker der SPD hatten zuvor auch die AfD für das Klima mitverantwortlich gemacht, in dem solche Gewalttaten entstehen.
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sicherte Matthias Ecke nach dem Angriff auf ihn Unterstützung und Solidarität zu. Sie sei “entsetzt über den bösartigen Angriff”, schrieb Metsola auf “X”. Die Verantwortlichen müssten vor Gericht gestellt werden. “Matthias, das Europaparlament steht an deiner Seite”, fügte sie hinzu.
Ähnlicher Fall in Essen
Matthias Ecke stammt aus Meerane im Erzgebirge und ist seit 2022 Mitglied des Europäischen Parlaments. Vor seiner Tätigkeit im Europäischen Parlament war er als Referent im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr beschäftigt. Ecke lebt in Dresden, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Bei der Europawahl ist Ecke Spitzenkandidat der sächsischen SPD und kandidiert auf Platz 10 der Liste der Bundes-SPD.
Es ist nicht der einzige aktuelle Fall dieser Art, am Donnerstag gab es in Essen bereits einen Angriff. Der Grünen-Bundestagsabgeordneten Kai Gehring und seinen Parteikollegen Rolf Fliß, dritter Bürgermeister von Essen und seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik der Ruhrgebietsstadt aktiv, waren nach eigenen Angaben am Donnerstagabend in Essen nach einer Parteiveranstaltung attackiert worden.
Den Ermittlungen der Polizei zufolge wurden beide gegen 22.30 Uhr auf der belebten Rüttenscheider Straße von einer Gruppe Passanten angesprochen. Nach einem zunächst freundlichen Gespräch sei es zu einem Streit und zu Beleidigungen gekommen. Schließlich sei Fliß ins Gesicht geschlagen und dabei leicht verletzt worden. Die beiden Tatverdächtigen seien dann in einem Taxi in Richtung Innenstadt geflüchtet. Die Hintergründe sind nicht bekannt, die Polizei sucht nach den Tätern.
Die Polizeidirektion Dresden bittet um Hinweise zum Geschehen oder zu den Tätern unter der Rufnummer (0351) 483 22 33.
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