Der Dinar soll verschwinden – und damit auch Belgrads Einfluss in Kosovo

Der kosovarische Premier Albin Kurti will die illegale serbische Währung verbieten. Belgrad protestiert, der Westen macht Druck auf Kosovo. Der Konflikt ist mehr als eine balkanische Posse.

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Protest der Serben in der kosovarischen Stadt Mitrovica gegen die Abschaffung der serbischen Währung Dinar.

Im serbisch besiedelten Teil der kosovarischen Stadt Mitrovica begann die Woche mit einem Protestmarsch. Die Demonstranten trugen Plakate mit Slogans, die sich gegen Kosovos Premierminister Albin Kurti richteten. Im Einklang mit der serbischen Propaganda wurde Kurti für alle Übel verantwortlich gemacht, die Rede war von Besatzung, von ausbleibenden Renten und Löhnen und fehlenden Medikamenten in Spitälern. Eine Parole rief in Erinnerung, dass sogar die serbischen Stammesfürsten im fernen Mittelalter serbische Dinar-Münzen geprägt hätten.

Wenn es nach der kosovarischen Regierung geht, soll der Dinar aus Kosovo verschwinden. Die Währung ist in den serbisch bewohnten Ortschaften ein weitverbreitetes Zahlungsmittel. Das Bargeld kam bisher säckeweise aus Belgrad, damit wurden Renten, Sozialhilfen und Gehälter an lokale Serben und Serbinnen ausbezahlt.

Geld für Lehrer, pensionierte Beamte und Paramilitärs

Legal ist die serbische Währung in Kosovo nicht. Man duldete sie einfach, obwohl das serbische Terrorregime 1999 aus Kosovo vertrieben wurde und die Albaner-Provinz 2008 die Unabhängigkeit von Serbien erklärte. Mit dem Geld finanzierte Belgrad nicht nur Lehrer und längst pensionierte Beamte, sondern auch illegale Behörden und Paramilitärs, die den kosovarischen Staat sabotieren.

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Unnachgiebig: Kosovos Regierungschef Albin Kurti.

Ende Dezember beschloss die Zentralbank in Pristina, künftig nur den Euro als offizielle Währung zu akzeptieren. Die Verordnung trat am 1. Februar in Kraft. Im Vorfeld schlossen serbische Banken ihre Filialen in Kosovo. Auch sie geschäfteten illegal. Kosovo hat keine eigene Währung. Nach dem Krieg galt die Deutsche Mark als offizielles Zahlungsmittel, 2002 wurde der Euro übernommen.

Der Westen ist besorgt

Die serbische Regierung und der autokratische Staatschef Aleksandar Vucic versuchen seit Wochen, die Weltöffentlichkeit zu alarmieren, mit der Abschaffung des Dinars drohe der serbischen Minderheit eine humanitäre Katastrophe. Letzte Woche beantragte Serbien sogar eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats. Der russische Vertreter, dessen Land seit zwei Jahren in der Ukraine massive Kriegsverbrechen begeht, ergriff dabei die Gelegenheit, um über Menschenrechte zu dozieren.

Zuvor hatten sich die Botschafter der einflussreichsten westlichen Staaten in Kosovo – USA, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Italien – besorgt über die Massnahme Kosovos geäussert. Sie forderten von der Regierung in Pristina eine lange Übergangsphase, mahnten Kosovos Premier Kurti eindringlich, die Durchsetzung der Verordnung auszusetzen, drohten sogar mit Konsequenzen.

Die Intervention der Diplomaten ist auf den ersten Blick richtig. Kurti, der oft einen populistischen Kurs vertritt, hat es verpasst, die serbische Minderheit mit einer Informationskampagne auf die bevorstehende Entscheidung vorzubereiten. Eine Übergangsphase von nur 30 Tagen ist sehr kurz.

Kampf gegen Geldwäsche

Die Kritik der USA und der EU wirkt aber auch unglaubwürdig, weil sie den Gebrauch des serbischen Dinars bislang nie infrage gestellt haben, obwohl die kosovarische Verfassung nur den Euro als offizielle Währung zulässt. Man wollte keine Konfrontation mit Belgrad riskieren, und so blieben viele Probleme ungelöst. Nun, da Kurti Fakten schafft, heisst es von westlicher Seite plötzlich, das Dinar-Verbot sei rechtens, es brauche nur eine Übergangsphase.

Dieser Forderung kam Kosovos Zentralbank am Montag entgegen. Sie will in den nächsten drei Monaten mit der serbischen Minderheit in Kosovo eine Lösung finden. Kosovos Regierung versichert, Serbien könne weiter die serbische Minderheit finanziell unterstützen, aber dies müsse über das kosovarische Bankensystem erfolgen. Dort könne man Dinars in Euro umtauschen. Damit soll auch die Geldwäsche bekämpft werden.

Hochburg der organisierten Kriminalität

Der Konflikt ist mehr als eine balkanische Posse. Serbien wird weiterhin versuchen, die Integration der serbischen Minderheit in Kosovo zu verhindern, und unterstützt die Proteste gegen die Abschaffung des Dinars. Oberstes Ziel Belgrads bleibt die Annexion des Nordens von Kosovo: Das an Serbien grenzende Hinterland der Stadt Mitrovica wird fast ausschliesslich von Serben bewohnt.

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Autokrat: Staatschef Aleksandar Vucic.

Das Gebiet gilt laut westlichen Diplomaten als Hochburg der organisierten Kriminalität. Ende September überfiel eine aus Serbien eingeschleuste Bande eine Polizeipatrouille im Norden Kosovos und tötete einen Beamten. Den kosovarischen Sicherheitskräften gelang es, die Terroristen auf dem Gelände eines Klosters zu umzingeln und drei von ihnen zu erschiessen. Der Rest der Angreifer konnte nach Serbien flüchten. Dort werden sie als Helden gefeiert. Kein einziger befindet sich in Haft.

Im Norden Kosovos bleibt der Einfluss Serbiens gross. So weigern sich die dortigen Serben auf Geheiss Belgrads seit einem Vierteljahrhundert, ihre Stromrechnungen zu bezahlen. Die Kosten wurden bisher vom kosovarischen Budget gedeckt. Damit soll jetzt Schluss sein. Selbst das empfinden die Serben als Diskriminierung.

Autokennzeichen akzeptiert

Einen kleinen Erfolg erzielte die kosovarische Regierung kürzlich im sogenannten Streit um Autokennzeichen. Weil Serbien Kosovos Nummernschilder nicht akzeptierte, reagierte die Regierung in Pristina mit einer Gegenmassnahme: An kosovarischen Grenzen mussten serbische Fahrer das Länderkennzeichen auf dem Nummernschild mit einem Kleber überdecken. Ende Dezember gab Belgrad nach und akzeptierte die kosovarischen Kontrollschilder.

In einem Interview mit Bloomberg sagte Kosovos Premier Kurti am Montag, er sei bereit, der serbischen Minderheit noch grössere Autonomierechte zu gewähren, wenn Belgrad die kosovarische Unabhängigkeit wenigstens indirekt anerkenne. Einen entsprechenden EU-Plan lehnt Serbien ab.

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