Aufbruch und Eigensinn

Kolumne

Aufbruch und Eigensinn

aufbruch und eigensinn

Die Musik-Ikone Bob Dylan spielt in disem Sommer mit anderen beim Outlaw Fest an verschiedenen Orten in den USA – hier bei einem Konzert in Vietnam im Jahr 2011. (Vi Khoa/dpa-Archiv)

Wenn Outlaw Fest mit Legenden wie Bob Dylan tourt, geht es um mehr als Nostalgie. Sie spüren auch Liedtraditionen nach, die nicht auf Genregrenzen ausgerichtet sind.

Sicher, der helle Schein der Aura des letzten Mals leuchtet den Weg aus, wenn sich Willie Nelson (90), Bob Dylan (82) sowie Robert Plant (75), Alison Krauss (52), Mavis Staples (84) und andere unter dem Namen Outlaw Fest auf eine gemeinsame Sommertournee durch die USA begeben. Legenden der populären Musik, wenn nicht gar der Zeitgeschichte. Beinahe jede und jeder von ihnen gilt als Monument eines traditionellen Genres – Country, Folk, Rock, Bluegrass, Soul.

Wer in den Genuss kommt, dabei sein zu dürfen, muss auf eine Überdosis Rührung gefasst sein, aber auch auf die Zelebration der Übergänge und des Abschieds. Die Protagonisten des Outlaw Fests standen einmal für Aufbruch und Eigensinn. Durch die sogenannte Outlaw-Bewegung waren Willie Nelson, Kris Kristofferson und andere angetreten, konfliktbereit und harmoniebewusst die amerikanische Country-Musik zu durchlüften.

Vor genau 55 Jahren ist Dylans Album „Nashville Skyline“ erschienen, für das er seinen Song „Girl Of The North Country“ zusammen mit Johnny Cash neu aufgenommen hatte. Das galt in der linken Folk-Szene, der Dylan zugerechnet wurde, als Provokation. Cash war der Man in Black und Inbegriff einer Affirmation ans Bestehende, geschäftlich und politisch.

Wenn man es so zusammenfasst, sitzt man bereits einer linearen Erzählung auf, der es an Gespür für die Brüche und Kontinuitäten jener Jahre mangelt. Man begreife die Wahrheit nur, so Jens Balzer in seinem Buch über die 70er Jahre, die er als das „entfesselte Jahrzehnt“ beschreibt, wenn man begreife, dass die Wahrheit im verklärenden Mythos bestehe und nicht in den realen Ereignissen auf den Feldern von Bethel.

Balzer bezieht sich auf das Woodstock-Festival von 1969, aber er legt zugleich nahe, dass man der Popkultur als Ganzes nur näherzukommen vermag, wenn man deren Mechanismen der Selbstverklärung im Blick behält.

Wer im Bedürfnis nach Heldenverehrung auf das Outlaw Fest schaut, von dem anschließend mit einiger Gewissheit Film- und Life-Aufnahmen in Umlauf gebracht werden, verschließt sich der ästhetischen Bedeutung dieser zweifellos nostalgiegesättigten Show. Bob Dylans Auftritte während der „Rough And Rowdy Ways“-Tour, die nach der Unterbrechung durch die Corona-Pandemie die Never-Ending-Tour ablöste, glichen zuletzt Dichterlesungen oder auch Exkursionen durch die eigene Werkgeschichte.

In ihren gemeinsamen Alben und Konzerten widmen sich Alison Krauss und Robert Plant unterdessen einer Songpoesie, die die jeweiligen Zuschreibungen ihrer vorangehenden Karrieren weit hinter sich lassen. Natürlich ist Plant noch immer der Mann, der bei Led Zeppelin die Pose des weißen Rocksängers wie kein anderer geprägt hat.

Nun aber scheint es darum zu gehen, Liedtraditionen nachzuspüren, die seit jeher nicht auf Stil- und Genregrenzen ausgerichtet waren, sondern auf unterschwelligen Beziehungen und Ähnlichkeiten basierten. Ein herausragendes Beispiel dieser Suche nach Gemeinsamkeiten ist das erst 2022 erschienene Album von Mavis Staples und Levon Helm, dem 2012 gestorbenen Gründungsvater der Americana-Bewegung.

Jenseits der Verklärung rüstiger Altstars könnte es aber auch sein, dass die Outlaw-Konzerte einfach nur schön – oder eine verpasste Gelegenheit – sein werden.

Harry Nutt ist Autor.

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