262 Milliarden Euro für die Ukraine? Der heikle Plan der USA mit den russischen Milliarden

Die Vereinigten Staaten drängen darauf, das eingefrorene russische Vermögen endlich einzuziehen, um damit die Ukraine zu unterstützen. Dies würde zeigen, dass Putin nicht gewinnen könne. Doch die Europäer sehen dafür keine rechtliche Grundlage. Sie haben eine andere Idee.

262 milliarden euro für die ukraine? der heikle plan der usa mit den russischen milliarden

US-Finanzministerin Janet Yellen beim G-7-Treffen in São Paulo picture alliance/ZUMAPRESS.com/Leco Viana

Geht es nach den Amerikanern, kann die Ukraine schon bald über einen gewaltigen Geldbetrag verfügen. Die Rede ist von 285 Milliarden Dollar oder 262 Milliarden Euro an russischen Vermögenswerten, die seit zwei Jahren vornehmlich in Europa und den Vereinigten Staaten eingefroren sind.

„Es ist dringend notwendig, einen Weg zu finden, dieses stillgelegte Vermögen freizusetzen, um den Widerstand und den langfristigen Wiederaufbau der Ukraine zu unterstützen“, sagte US-Finanzministerin Janet Yellen vor einem Treffen mit ihren Finanzministerkollegen im brasilianischen São Paulo.

Ein solcher Schritt würde deutlich machen, „dass Russland nicht gewinnen kann, wenn es den Krieg verlängert“, betonte Yellen. Außerdem würde die Weiterleitung der eingefrorenen Mittel an die Ukraine „einen Anreiz schaffen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und einen gerechten Frieden mit der Ukraine auszuhandeln“, sagte Yellen.

Doch die Europäer sind von dem weitreichenden Vorschlag der Amerikaner nicht überzeugt. Trotz des steigenden Drucks zeigte sich bei den Gesprächen in São Paulo, wie weit Europa und die Vereinigten Staaten auseinanderliegen.

Nur im Ziel waren sich die Finanzminister der Gruppe der G 7, zu der neben den USA auch Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan und Kanada gehören, einig. „Wir wollen den Druck auf Russland aufrechterhalten, ihn erhöhen und auf der anderen Seite die Durchhaltefähigkeit der Ukraine in diesem schrecklichen Krieg stärken“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nach dem Treffen mit seinen G-7-Kollegen, die am Rande des Treffens der G-20-Finanzminister gesondert zusammenkamen.

Deshalb arbeite die Europäische Union daran, so Lindner, wie die Erträge aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten zugunsten der Ukraine genutzt werden können. „Das ist ein realistischer und rechtlich sicherer und auch kurzfristig umsetzbarer Schritt. Und darauf konzentrieren wir uns“, sagte Lindner.

Er erwarte in Kürze einen Vorschlag zur rechtlichen Umsetzung durch die Europäische Kommission. Zunächst gehe es um einen einstelligen Milliardenbetrag, der aber in den kommenden Jahren anwachsen werde.

Zweifel an der Legitimität des Plans

Dieser aus Sicht der Europäer „kurzfristig umsetzbare Schritt“ geht den Amerikanern nicht weit genug. Alleine mit den in den nächsten Jahren erwarteten Zinseinnahmen aus den russischen Vermögenswerten lässt sich der gewaltige Mittelbedarf der Ukraine bei Weitem nicht decken.

Gleichzeitig wird es aber offensichtlich schwerer, das Geld aus den Haushalten der unterstützenden Länder zu organisieren. In den Vereinigten Staaten wird ein milliardenschweres Hilfspaket derzeit von den Republikanern im Kongress blockiert.

Auch angesichts der schwierigen innenpolitischen Situation wenige Monate vor der nächsten US-Präsidentschaftswahl appellierte Yellen in São Paulo an ihre Amtskollegen. „Die G 7 sollten zusammenarbeiten, um eine Reihe von Ansätzen zu prüfen: Die Beschlagnahmung der Vermögenswerte selbst oder deren Verwendung als Sicherheiten für Kredite auf den globalen Märkten“, sagte sie.

Die Idee ist also, dass neben einem direkten Zugriff auf die eingefrorenen Mittel der russischen Zentralbank die Vermögenswerte auch als Sicherheiten dienen könnten, um neue Anleihen auszugeben.

Doch es gibt rechtliche Zweifel, inwieweit Vermögenswerte als Sicherheiten genutzt werden können, die einem nicht gehören. Die Vermögenswerte müssten auch in diesem Fall zunächst einmal eingezogen werden. Vor allem die G-7-Mitgliedsländer Deutschland, Frankreich und Italien halten dies für problematisch.

Man wolle keinen Präzedenzfall schaffen, auf den andere Länder in 15 oder 20 Jahren mit ähnlichen Argumenten verweisen könnten, heißt es von dort. Die Staatsimmunität müsse gewahrt bleiben, heißt es bei Kritikern einer weitreichenden Nutzung der Vermögenswerte.

Nicht nur Lindner, sondern auch Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire machten den Punkt in São Paulo sehr deutlich. „Wir haben keine gesetzliche Grundlage, um die russischen Vermögenswerte gegenwärtig zu beschlagnahmen“, sagte er. Le Maire appellierte an die internationale Gemeinschaft, nichts zu unternehmen, was internationales Recht verletze.

Staaten in Sorge um Währungsstabilität

Zumal es neben rechtlichen Einwänden auch finanzpolitische Vorbehalte gibt. Gerade in Europa fürchtet man um die Stabilität der eigenen Währung und fehlende Mittel für benötigte Investitionen. So könnten Staaten aus Sorge, ihnen ergehe es eines Tages ähnlich wie Russland, ihre Vermögenswerte aus dem Euro-Raum abziehen.

Die Amerikaner halten dies eher für ein vorgeschobenes Argument, wie Yellen deutlich machte. „Wir arbeiten alle zusammen, es gibt keine Alternativen zu Dollar, Euro und Yen“, sagte die US-Finanzministerin. Dahinter steckt die Frage, in welchen anderen großen und damit stabilen Währungen Länder wie China und Indien ihr Geld ansonsten im Ausland anlegen sollten.

Befürworter der direkten Nutzung aller eingefrorenen Mittel für den Wiederaufbau der Ukraine halten eine solche Maßnahme verhältnismäßig, verstoße Russland doch seit nunmehr zwei Jahren in eklatanter Weise gegen das Völkerrecht.

Zudem lägen die Kriegsschäden in der Ukraine mittlerweile um einiges höher als die Summe des eingefrorenen Zentralbankvermögens. Russland müsse also in den nächsten Jahren für den Wiederaufbau der Ukraine noch sehr viel mehr zahlen, als die derzeit eingefrorenen knapp 300 Milliarden Dollar.

Mit einer schnellen Einigung über den Umgang mit dem russischen Zentralbankgeld wird nicht gerechnet. Es wurde deutlich, dass die Prüfung der komplexen rechtlichen und finanzpolitische Fragen noch Zeit braucht – und die Europäer sich von den Amerikanern nicht unter Druck setzen lassen wollen.

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