Abschuss eines amerikanischen Bombers über dem Lindhoop
Abschuss eines amerikanischen Bombers über dem Lindhoop
Zeitzeuge Johann Wulfers
Zeitzeuge Johann Wulfers berichtet, wie er vor 80 Jahren den Absturz der B-17-Flying-Fortress miterlebte – auf dem Weg zur Schule.
Kirchlinteln – Johann Wulfers lebt seit seiner Geburt in Kirchlinteln. Geboren ist er am Rand des Lindhoops in Richtung Verden, schräg gegenüber der ehemaligen Ziegelei. Vor hier aus ging er meistens zu Fuß zur Schule, begleitet von seinen drei Geschwistern. An die Zeit des Zweiten Weltkriegs erinnert er sich noch gut. Er war elf Jahre alt, als im Sommer 1944 ein viermotoriger amerikanischer Bomber von einem deutschen Jagdflugzeug über dem Lindhoop abgeschossen wurde.
„Ich habe die beiden toten amerikanischen Piloten gesehen.“ Notdürftig wurden sie mit Grasplaggen bedeckt und später in viel zu kleine Särge gelegt. Wulfers: „Ich sehe es noch vor mir, als wäre es gestern: Deutsche Soldaten sprangen auf die Deckel, um die Särge zu schließen.“
Eine B-17 Flying Fortress, ein amerikanischer Bomber, wurde am 8. Mai 1944 über dem Lindhoop abgeschossen.
Morgen, am 8. Mai, jährt sich der Abschuss zum 80. Mal. Das 8. amerikanische Bomberkommando hatte seinen Sitz in Großbritannien. Von dort flogen auch die zum Kommando gehörende 96. Bombergruppe mit ihren Boeing B-17 G-20-VE Flying Fortress in Richtung Berlin. Einige Flugzeuge wurden von deutschen Abfangjägern angegriffen und abgeschossen. So unter anderem auch die „Fliegende Festung“ über dem Lindhoop am 8. Mai 1944.
Der beschädigte Bomber scherte aus dem Verband aus. Leutnant John B. White versuchte mit seinem Co-Piloten Major Raleigh A. Shoemaker das im Cockpit ausgebrochene Feuer zu löschen. Das Flugzeug war aber nicht mehr zu halten und White gab den Befehl zum Verlassen der schwerbeschädigten Maschine. Beide Piloten und der Navigator Charles L. Jones konnten sich nicht mehr retten und starben an der Absturzstelle.
Weit verstreut fielen die Trümmer in den Lindhoop und um die Ziegelei zu Boden. „Die Kanzel lag auf dem Weg in Richtung Horst“, erinnert sich Johann Wulfers. Eine Tragfläche landete auf dem Finkenberg, und ein Motor sowie ein Rumpfteil schlugen unweit der Försterei sowie in unmittelbarer Nähe seines Elternhauses auf. Ein zweiter Motor wurde beim Hof Jäger gefunden.
Die toten Piloten wurden zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Hoyerhagen beerdigt.
Hermann Bunke, Kirchlinteln, schrieb in seinen Erinnerungen: „Wir Kinder liefen gleich zu der Absturzstelle. Die Pilotenkanzel lag hinter der Försterei Kirchlinteln. Ich habe die beiden toten eingequetschten Piloten gesehen. Ich konnte lange diesen Anblick nicht vergessen. Ein Junge war ganz begeistert von dem Abschuss und sagte zu meinem Opa: ,Opa Bunke, jetzt gewinnen wir den Krieg.’ Mein Opa antwortete: ,Die Deutschen können tausend Flugzeuge abschießen, dann gewinnen wir den Krieg immer noch nicht.’ Diese Äußerung hätte ins Auge gehen können. Am nächsten Tag in der Schule erzählte der Junge, was mein Opa gesagt hatte. Diese Äußerungen waren für Lehrer Markgräfe, NSDAP-Mitglied, natürlich ein Grund, seinen Hetzparolen freien Lauf zu lassen. Er wusste, dass meine Eltern und Großeltern nichts von den Nazis hielten. Ich musste aufstehen, und mein Opa wurde als Volksverräter beschimpft. Und die ganze Familie als primitiv abgeurteilt. Er hat eine ganze Stunde über staats- und parteifeindliche Äußerungen gewettert. Mein Opa wurde von ihm nicht angezeigt. Markgräfe wusste 1944, dass der Krieg verloren war. Aber er hat uns Schüler aufgefordert, alle staatsfeindlichen Äußerungen bei der Partei anzuzeigen. Meine Familie hatte nun Angst, von einem Nazi bei der Gestapo angezeigt zu werden. Die Äußerungen über meine Familie hatten für mich negative Folgen. Die Kinder von den Nazis, die mir körperlich überlegen waren, sagten jetzt zu mir nur noch Pollak.“
Weit verstreut fielen die Trümmer in den Lindhoop. Die Kanzel wurde auf diesem Weg Richtung Horst gefunden.
Johann Wulfers erinnert sich, dass Jones wohl so unglücklich auf einen Stacheldrahtzaun gefallen war, dass seine schmerzhaften Schreie noch lange zu hören waren. In Kirchlinteln gab es allerdings das Gerücht, dass Jones am Boden liegend von deutschen Soldaten erschossen worden sein soll. Amerikanische Kriegsgefangene bemerkten beim Ausladen der toten Soldaten, vermutlich im Fliegerhorst Hoya, zwei Einschusslöcher in Jones’ Kopf. Das haben Recherchen von Hans-Michael Brandes von der Arbeitsgruppe Luftfahrtarchäologie Niedersachsen ergeben. Die übrigen Besatzungsmitglieder gerieten in Kriegsgefangenschaft.
Die Leichen von White und Schoemaker wurden von deutschen Soldaten und Zivilisten geborgen und am Waldrand notdürftig mit Ästen bedeckt. Jones wurde an der Alten Weitzmühlener Straße gefunden. Am 10. Mai fand die Beisetzung der beiden Piloten auf dem jüdischen Friedhof in Hoyerhagen statt. In den Unterlagen ist auch die Lage der Gräber festgehalten; für Shoemaker „Reihe 1, Grab 7“ und für White „Reihe 1, Grab 8“.
Knapp ein Jahr nach der Befreiung durch die alliierten Truppen wurden die Leichen am 26. April 1946 exhumiert und mit weiteren 40 Soldaten auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in Neuville-en-Condroz bei Lüttich bestattet, erinnert sich Henry Meyer, der ehemalige Stadtarchivar von Hoya.