„Macht ist das ultimative Aphrodisiakum“

Kent/Connecticut. Genau 100-jährig ist der frühere US-Außenminister und gebürtige Fürther Henry Kissinger gestorben. Neben seinen anderen herausragenden Eigenschaften hatte er die Gabe, komplizierte Dinge pointiert auszudrücken. Eine Erinnerung an den wohl größten Diplomaten des 20. Jahrhunderts in 13 Zitaten.

„macht ist das ultimative aphrodisiakum“

Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger betritt die American Academy in Berlin.

1. “Wenn ich mit Europa reden will, wen muss ich dann anrufen?“

Es ist wohl der berühmteste Satz, der dem verstorbenen US-Staatsmann und Wissenschaftler Henry Kissinger zugeschrieben wird. Er selbst kann sich daran nicht erinnern, wie er einmal zugab. Aber selbst wenn er ihn nie gesagt hat, so charakterisiert es seine Art, Probleme auf den Punkt zu bringen. Das Dilemma besteht noch heute fort, Europa ist die wirtschaftlich mächtigste Region der Welt, kann aber dieses Gewicht nicht auf das politische Parkett bringen.

2. “Macht ist das ultimative Aphrodisiakum“

Um die Macht kreiste das Denken und Handeln Henry Kissingers unaufhörlich. Wie diese Urgewalt zum Nutzen aller organisiert und beschränkt wird, beschäftigte den Denker und Politiker sein ganzes Leben. Den Willen zur Macht stellte Kissinger nicht infrage. Er war fasziniert von ihr. Seine Realpolitik sollte sich ausschließlich mit den Folgen auseinandersetzen.

3. „Amerika hat keine dauerhaften Freunde oder Feinde, nur Interessen“

Dieser Satz muss deutsche Idealisten unruhig machen. Niemand in Deutschland kann sich auf eine dauerhafte Freundschaft des wichtigsten Alliierten verlassen. Für Kissinger ist dieser Satz noch fundamentaler. Denn er wandte ihn auch auf andere Länder an. Danach führt nur der Interessenausgleich der Nationen nach anerkannten Regeln zum Weltfrieden.

4. „Wenn die Präferenz für Demokratie in den internationalen Beziehungen zum Hauptziel erklärt wird, führt das zu einem missionarischen Impuls. Der könnte einen erneuten militärischen Konflikt zur Folge haben.“

Der Realpolitiker Kissinger lehnte allzu idealistische Zielsetzungen in der Außenpolitik ab. Jeder Staat muss danach mit jedem anderen – unabhängig von dessen moralischen und demokratischen Standards – im Gespräch bleiben. Bis zuletzt warnte Kissinger deshalb vor einer kompletten Isolierung Russlands und Dämonisierung Chinas.

5. „Es wurden mehr Menschen durch Kreuzzügler umgebracht als durch Staatsmänner.”

Kissinger unterteilte wichtige Personen der Geschichte in Staatsmänner (worunter er auch berühmte Frauen wie Margaret Thatcher oder Angela Merkel fasste) und Visionäre. Von den Letzteren wie Echnaton, Jeanne d’Arc, Robespierre oder Lenin hielt er wenig. Gern verwies er auf deren Blutzoll, weil sie ihre idealistischen Ziele mit Gewalt durchsetzen wollten.

6. “Dies war das katastrophalste Pressegespräch, das ich jemals hatte”.

Der wortgewandte Kissinger war es gewohnt, auch auf kritische Fragen elegant zu reagieren. Nicht so bei der italienischen Journalistin Oriana Fallaci. Hier gab er in einem berühmten Interview zu, dass der Vietnamkrieg völlig nutzlos gewesen sei und Politiker „Cowboys“ wären, die allein voran ritten. Auch auf die Frage, was Frauen an ihm so attraktiv fänden, blieb er eine richtige Antwort schuldig. Die Journalistin hatte ihn geschlagen, befand er indirekt schließlich selbst.

7. „Es ist jetzt modern, alles psychoanalytisch zu erklären, aber lassen Sie mich Ihnen sagen, dass die politischen Verfolgungen meiner Kindheit nicht das sind, was mein Leben bestimmt.“

Der 15-jährige Heinz Alfred Kissinger hat im Pogromjahr 1938 mit seinen jüdischen Eltern Deutschland verlassen. In den USA machte er später als Henry Kissinger wissenschaftlich und politisch Karriere. Der Holocaust an der jüdischen Bevölkerung in Europa durch die Nazis begleitete ihn stets, aber seine Kindheit empfand er als glücklich, die Verfolgung blendete er damals weitgehend aus.

8. „Letztendlich wurden zwei Weltkriege geführt, um eine dominante Rolle Deutschlands zu verhindern“

Henry Kissinger war nicht deutschfeindlich. Er ging sogar gerne in seine alte Heimat zurück und verfolgte die Fußballergebnisse der Bundesliga und seines Vereins, der Spielervereinigung Fürth, zeitlebens. Aber bezüglich des Machtanspruchs Deutschland hatte er keine Illusionen. Die Bundesrepublik sah er aber immer als friedliebend und geläutert an.

9. „Wir haben sie bombardiert, bis sie uns erlaubten, ihre Bedingungen zu erfüllen“

Der frühere Außenminister und Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten handelte ein Waffenstillstands- und Abzugsabkommen mit Nordvietnam und dem Vietcong aus. Zuvor setzte er sich für heftige Bombardements ein, um die US-Verhandlungsposition zu verbessern. Die zynische Bemerkung entstand nach Abschluss des Vertrags. Auch wegen anderer aggressiver Handlungen galt Kissinger als umstrittener Politiker. Entschuldigt hat er sich nie.

10. „Schon der Erste Weltkrieg hat bewiesen, dass sich die moderne Technik rascher entwickelt als unsere Fähigkeit, sie politisch zu beherrschen. In unserem Zeitalter besteht daran kein Zweifel mehr.“

Im „Spiegel“-Interview beschwor Kissinger die Gefahren, die von einer zu raschen technologischen Entwicklung ausgehen könnten. Trotzdem war er kein Fortschrittsskeptiker. Die atomare Bedrohung beschäftigte ihn sein ganzes Leben hindurch. Zuletzt kam die Künstliche Intelligenz hinzu.

11. „Die mächtigen Algorithmen potenzieren die Gefahr der Kernwaffen. Deshalb besteht eine allem übergeordnete Verpflichtung, einen Krieg zu verhindern. Vor allem natürlich einen Krieg zwischen China und den USA.“

Die Rivalität der beiden technologischen Supermächte China und USA stellte für Kissinger die größte Gefahr für den Weltfrieden dar. Er plädierte dabei für eine Versöhnung zwischen beiden Staaten.

12. „Die Führer der Welt haben versagt. Sie haben es nicht geschafft, die übergeordneten Konzepte, die Grundlagen und das Tagesgeschäft von Politik zu beherrschen.“

Vielleicht spricht aus diesen Sätzen, die nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem Terrorangriff der Hamas aus Israel in diesem NZZ-Interview kurz vor seinem Tod entstanden sind, schon die Resignation eines Hundertjährigen.

13. „Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, brauchbar und dauerhaft, wenn beide Parteien damit gleich unzufrieden sind.“

Dieser gern zitierte Spruch macht noch einmal deutlich, wie Kissinger Realpolitik verstand.

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