Alle zusammen gegen den Faschismus? Demonstranten am Sonntag in Berlin
„Nie wieder ist jetzt“, das rufen Demonstranten auf den Straßen bei ihren Demonstrationen gegen Rechtsextreme. „Nie wieder ist jetzt“, das rief auch der hessische Ministerpräsident Boris Rhein im Landtag, als er dort in dieser Woche seine erste Regierungserklärung der neuen Legislaturperiode hielt. Rhein ist unter Christdemokraten nicht allein – am Mittwochabend demonstrierte in Oberhausen der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst.
Als einer der ersten prominenten Christdemokraten hatte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer an einer Demonstration in Görlitz teilgenommen. Der Bundesvorsitzende der CDU, Friedrich Merz, demonstrierte nicht, wurde dafür aber in der ARD besonders deutlich und wiederholte, was er schon vor gut fünf Jahren gesagt hatte: dass es in der AfD Nationalsozialisten gebe.
Aber nicht überall tut sich die CDU mit dem Gang auf die Straße leicht. Einige Christdemokraten ärgert es, wenn diese als „Demos gegen rechts“ angemeldet und beworben werden. Denn als rechts verstehen sich zwar nicht alle CDU-Mitglieder, aber eben doch einige, ohne damit irgendetwas Undemokratisches zu verbinden.
Hinzu kommt mancherorts, dass es nicht leichtfällt, vom gesunden demokratischen Wettstreit auf Einigkeit gegen eine Gefahr umzuschalten, die viele angesichts der Berichte über Treffen spüren, auf denen unter Beteiligung von AfD-Politikern über Deportationspläne gesprochen worden sein soll. Es gibt Lokalpolitiker der CDU, die enttäuscht sind, wenn andere Parteien sie nicht fragen, ob man gemeinsam zu Demonstrationen aufrufen will. Manche stört es auch, wie allgemein die Demonstrationen gefasst sind. Helena Brüggemann ging das so. Als Vorsitzende des Stadtverbandes in Soest in Nordrhein-Westfalen sagte sie, an einer Demonstration, die „lediglich gegen etwas“ sei, wolle sie sich nicht beteiligen.
„Nächstes Mal brauche ich keine SPD-Fahnen in der ersten Reihe“
Hat sie dann aber doch, hielt sogar eine Rede bei der Kundgebung, zu der die hiesigen Sozialdemokraten aufgerufen hatten. „Im Sinne der Sache, im Sinne der Demokratie war das dann doch die richtige Entscheidung“, sagt Brüggemann der F.A.Z. Aber sie wünsche sich für die Zukunft, dass man sich unter Demokraten auf einen gemeinsamen Aufruf einige. Und Brüggemann hat noch einen Wunsch: „Nächstes Mal brauche ich keine großen SPD-Fahnen in der ersten Reihe.“ Vor allem aber, sagt die Kommunalpolitikerin, müsse der Titel präziser werden. „Es gibt Mitte-links und Mitte-rechts. Eine ‚Demo gegen rechts‘ ist zu einfach.“
Dafür hat Christoph Bautz Verständnis. Er ist Geschäftsführer der Kampagnenorganisation Campact, die das Portal Zusammen gegen Rechts betreibt, auf dem viele der aktuellen Demonstrationen angekündigt werden. Die Wendung „gegen rechts“ sei in der Protestbewegung etabliert. „Das war nie gegen CDU und CSU gerichtet“, sagt Bautz der F.A.Z. „Wenn man es genau nimmt, wäre ‚Zusammen gegen Rechtsextreme‘ besser.“
Von der Kritik auf den Demonstrationen ausgenommen sei aber keine Partei – zumal wenn sie zur „Normalisierung der AfD“ beitrage – dieser Vorwurf treffe auch Merz, „wenn er vom Sozialtourismus ukrainischer Geflüchteter, ‚kleinen Paschas‘ in den Schulen oder den angeblich von Geflüchteten überlaufenen Zahnärzten spricht.“
Christdemokraten fragen sich, mit wem sie auf die Straßen gehen
Selbst wenn die Frage nach dem Motto geklärt ist, fragen sich viele Christdemokraten, mit wem sie gerade auf die Straße gehen. Nicht immer sei das ohne Risiko, sagt der Landtagsabgeordnete Jochen Klenner. Er hatte sich dazu entschlossen, in Mönchengladbach zur Teilnahme an einer Demonstration aufzurufen. Angemeldet wurde sie von einem Bündnis, zu dem auch die Antifa gehört. „Umso mehr Vernünftige auf dem Platz stehen, desto weniger fallen Chaoten auf“, sagt Klenner der F.A.Z am Telefon am Morgen nach der Demonstration. Das Risiko habe sich gelohnt: Ein sehr bürgerliches Publikum sei das am Donnerstagabend gewesen, ein richtiger Protest der Mitte, für den auch die CDU mobilisieren könne. Der Polizeibericht bestätigt Klenners Sicht; „friedlich und störungsfrei“ sei die Kundgebung mit 5000 Teilnehmern verlaufen.
Andere Parteien seien demonstrationserfahrener, aber dieses Mal habe er allen geraten teilzunehmen, sagt Klenner – auch Parteimitgliedern: „Die CDU sollte ein Gespür dafür haben, was die Leute bewegt.“ Klenner sagt aber auch, was fast alle CDU-Politiker in diesen Tagen sagen: Demonstrieren gegen Rechtsextreme reiche nicht aus. Politik müsse Probleme aufgreifen – ohne Angst, Themen anzusprechen, zu denen auch die AfD spricht.
In anderen Parteien gibt es ein Interesse, dass die CDU sich an den Protesten weiter beteiligt. In Baden-Württemberg schmiedet der SPD-Landesvorsitzende gerade ein Bündnis, damit die Demonstrationen nicht abbrechen und der demokratische Elan verfliegt. „Mir war es besonders wichtig, auch die CDU von diesem Bündnis zu überzeugen, ich habe den CDU-Landesvorsitzenden Manuel Hagel als Ersten angerufen, weil ich weiß, wie wichtig er diesen Kampf für die Demokratie nimmt“, sagte Stoch der F.A.Z. Auch die baden-württembergische CDU-Generalsekretärin Nina Warken beteiligt sich an diesem Bündnis. „Wir Demokraten müssen gegen jede Form von Extremismus zusammenstehen.“ Das bedeute auch, aufzupassen, „welche Fahnen mitmarschieren“. Denn auch das ist eine Sorge, die viele in der CDU teilen: Dass sie mit Antidemokraten gegen Antidemokraten gemeinsame Sache machen könnten.
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