Der Klimawandel fördert die Ausbreitung der Dengue-Krankheit. Ein Augenschein vor Ort in Argentinien

der klimawandel fördert die ausbreitung der dengue-krankheit. ein augenschein vor ort in argentinien

Die Fumigation zur Bekämpfung von Dengue produziert grosse weisse Wolken am Boden. ; Rodrigo Abd / AP

Der Motor brummt, am Ende eines grossen Gebläses entweicht weisser Rauch. Stolz zeigen die Gemeindeangestellten der Kleinstadt Concepción de Tucumán im Norden Argentiniens, wie sie regelmässig gegen die Gelbfiebermücke vorgehen. «Mit dem Wagen fahren wir durch alle Viertel und besprühen die Strassen mit dem Biozid», erklärt Fernando Molina von der Stadtregierung. Das Ziel sei die Ausrottung der Mücke, welche die Krankheit überträgt.

«Es war wie im Krieg»

Seit Jahren breitet sich Dengue in Argentinien aus, selbst in Buenos Aires weisen Plakate auf die Gefahr hin. Im Zuge der steigenden Temperaturen als Folge des Klimawandels werden immer mehr Lebensräume für die Mücke zugänglich. Jährlich stecken sich weltweit über fünf Millionen Menschen mit dem Dengue-Virus an – Tendenz stark steigend.

«Es war wie im Krieg», erinnert sich der Sozialarbeiter Mauricio Granajo vom Spital in Lules in der Provinz Tucumán. «Durchgehend wurden Patienten angeliefert, sie konnten vor Schmerzen kaum laufen», ergänzt ihn die Direktorin Cecilia Pilar. Die beiden sitzen zusammen mit zwei weiteren Sozialarbeitern in einem kleinen Pausenraum im Krankenhaus der Kleinstadt.

Die Luft ist schwülwarm, obwohl auf der Südhalbkugel gerade erst der Frühling begonnen hat. Gut zwanzigtausend Einwohner hat die Ortschaft, die vor allem von der Landwirtschaft lebt. Vor einem halben Jahr hatte die Provinz Tucumán mit mehr als 10 000 gezählten Fällen den bisher schlimmsten Dengue-Ausbruch erlebt. Lules stand im Mittelpunkt der Epidemie.

Dengue verursacht starkes Fieber, Durchfall, Gliederschmerzen und in besonders schlimmen Fällen innere Blutungen. «Viele denken bei der Krankheit an normales Fieber und behandeln sich selbst, insbesondere junge Menschen. Nach einigen Tagen kommen sie bei uns total geschwächt und ausgetrocknet an», erklärt die Direktorin Pilar. Im Normalfall genüge die Verabreichung einer einfachen Kochsalzlösung zur Rehydrierung. Denn es gibt bis heute keine antivirale Therapie gegen die Krankheit. Das Einzige, was das medizinische Personal machen kann, ist, den Körper beim Abwehrkampf zu unterstützen.

Über 200 Fälle behandelten sie zu jener Zeit täglich, meint das Team. Sie wirken erschöpft, wenn sie über jene Tage erzählen, erst der Winter – in der Südhalbkugel von Juni bis August – brachte die erhoffte Auszeit. «Im August hatten wir unseren letzten Fall», erzählt Pilar. Seitdem ist Ruhe eingekehrt, doch mit den steigenden Temperaturen beginnen nun die Larven der Gelbfiebermücken wieder zu schlüpfen.

Die Mücke ist der Feind

«Die Prävention beginnt mit der Bekämpfung der Mücke», sagt Fernando Molina, «wir können zeigen, wie man es macht.» Der ehemalige Direktor des Umweltdepartements von Concepción, einer grösseren Stadt unweit von Lules, sitzt seit kurzem in der Stadtregierung. In seinem Büro zeigen sich er und ein Mitarbeiter sichtlich stolz, denn im Gegensatz zu Lules konnten sie im vergangenen Sommer die Zahl der Dengue-Fälle klein halten.

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Ein Teströhrchen mit einer Gelbfiebermücke (Aedes aegypti), der Überträgerin des Dengue-Virus. Agustin Marcarian / Reuters

«Sobald vom Krankenhaus ein Fall gemeldet wird, gehen wir zum Wohnort und führen grossflächig Kontrollen durch», erzählt Molina, der in einem Whatsapp-Chat mit allen verantwortlichen Stellen kommuniziert. Die Gärten werden auf stehendes Wasser durchsucht, und überall werden Biozide gespritzt.

«Die Mücke legt ihre Eier am Rand von Wasserbehältern», erklärt Molina, «sobald die Eier mit sauberem Wasser in Kontakt treten, schlüpft die Larve innerhalb weniger Tage.» Er zeigt auf ein Glas Wasser auf seinem Schreibtisch. «Wenn ich dieses Glas hier lange Zeit nicht waschen würde, wäre das ein möglicher Brutort.» Auf diese Weise seien insbesondere Pflanzentöpfe und jegliche Behälter, die sich mit Regenwasser füllen, ideal für die Verbreitung der Mücke.

«Unsere Arbeiter gehen regelmässig in die Häuser der Einwohner und entrümpeln die Gärten und Räumen im Haus auf», meint Molina. Der neben ihm sitzende Mitarbeiter vom Sozialamt meint dazu: «Wir sind so etwas wie die Putzkolonne der Stadt.» Doch das grosse Problem liege darin, dass die Eier nicht bekämpft werden könnten, erklärt Molina, «wir müssen uns daher auf die Larven und die ausgewachsenen Mücken konzentrieren.»

Zunehmende Gefahr auch für Europa

Dengue ist eigentlich als Tropenkrankheit bekannt, doch die Krankheit beschäftigt längst nicht mehr nur die Tropenmedizin. Im September warnten Mediziner des deutschen Robert-Koch-Instituts vor einer lokalen Ausbreitung in Europa. Grund dafür war ein Cluster in der Lombardei. Zwei Personen steckten sich am Gardasee mit dem Denguefieber an. In Südeuropa könnte das Virus in Zukunft heimisch werden, so die Pressemitteilung.

An der Universität Bern beschäftigt sich Annelies Wilder-Smith mit der Krankheit. Sie ist auch Professorin an der renommierten London School of Hygiene and Tropical Medicine und berät die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie bestätigt die Warnung, weist aber auch darauf hin, dass in Europa die Gefahr für grosse Ausbrüche gering sei.

Weltweit sei die Lage kritischer. «Es kommt zu immer häufigeren Ausbrüchen, in immer kürzeren Intervallen», sagt Wilder-Smith. Insbesondere Asien und Lateinamerika seien betroffen. «Es handelt sich dabei um Länder mit mittlerem Einkommen», sagt sie im Videotelefonat. Regionen mit zunehmender Verstädterung, hoher Bevölkerungsdichte und gleichzeitig fehlender öffentlicher Infrastruktur seien der ideale Brutort für die Mücke.

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Ein heruntergekommener Stadtteil in Buenos Aires. Auch in der argentinischen Hauptstadt ist Dengue auf dem Vormarsch. ; Rodrigo Abd / AP

Dabei habe Dengue in der internationalen Forschung nur zweite Priorität, erklärt Wilder-Smith. Dies liege vor allem an der geringen Mortalität. Zwar gebe es viele Erkrankungen, aber jährlich stürben gerade einmal 50 000 Personen an der Krankheit. Im Vergleich zu Covid oder Malaria sei das relativ gering.

Bis dato sei kein umfassender Impfstoff entwickelt worden. «Das kürzlich zugelassene Vakzin Qdenga hilft vor allem gegen eine zweite Ansteckung», erklärt Wilder-Smith. Dies sei wichtig, denn diese könne mit einem besonders schlimmen Krankheitsverlauf verbunden sein.

Das Gesundheitssystem ist überlastet

Trotz aller Entwarnung, in Tucumán traf die Krankheit auf ein «abgemagertes» öffentliches Gesundheitssystem. Im Krankenhaus von Concepción de Tucumán sieht die Ärztin Bueno erschöpft aus. Sie leitet die Krankenstation des Spitals, das für den gesamten Süden der Provinz, knapp 500 000 Menschen, verantwortlich ist. Zusätzlich ist Bueno Gewerkschaftssekretärin. Hinter ihr hängen Fotos von Demonstrationen und Plakate, die zum gemeinsamen Kampf für bessere Arbeitsbedingungen aufrufen. Über alldem thront ein Gemälde von Eva Perón, der Frau des ehemaligen Präsidenten Juan Domingo Perón. Sie gilt bis heute als Vorbild für die öffentliche Fürsorge in Argentinien.

«Unsere Gewerkschafter sind erschöpft», meint Bueno und schildert die Strapazen der Corona-Pandemie. Tote Arbeitskollegen, tagelange Schichten und unzureichende Löhne, derzeit umgerechnet etwa 300 Franken, hätten das Gesundheitspersonal ans Ende der Kräfte gebracht. «Und zu alledem kommt jetzt Dengue», meint die Ärztin. Denn obgleich die Krankheit zu wenig Todesfällen führe, überlaste sie ein Gesundheitssystem, das ohnehin am Limit sei.

Bueno glaubt, dass Dengue in der Provinz in Zukunft vermehrt auftreten wird. Die Winter würden immer wärmer, und es fehle an Infrastruktur. In der ganzen Provinz sind die Wasserleitungen marode. Aufgrund des Zuzugs armer Landbevölkerung wachsen die Randviertel der grösseren Städte.

Laut dem Minister ist alles unter Kontrolle

In der Provinzhauptstadt San Miguel de Tucumán stellt man die Lage ganz anders dar. Der Gesundheitsminister der Provinz, Luis Medina Ruiz, erklärt die hohen Fallzahlen als Folge einer besonders intensiven Suche nach Fällen (eine Infektion verläuft in 40 bis 80 Prozent der Fälle asymptomatisch).

«Während des Dengue-Ausbruchs mussten wir unsere Gesundheitszentren ausbauen und neue eröffnen», sagt der Minister. Doch in keinem Moment sei das System überlastet gewesen. «Keine Person blieb ohne Behandlung», bekräftigt er. Und die Gewerkschafter, die sagten, sie seien ausgelaugt, lögen. «Es kann Personen geben, die müde sind, aber das sind nicht jene, die gearbeitet haben», sagt er mit einem überlegenen Lächeln.

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Ein Gemeindearbeiter sprüht Chemikalien in Charata im Nordwesten Argentiniens. Die Mücken, die Dengue übertragen, werden so am Eierlegen gehindert. Jorge Saenz / AP

Er steht auf, zeigt auf eine Wand mit Bildschirmen und erklärt: «Wir haben eine kleine Provinz mit einer dichten Kontrolle.» Auf den Bildschirmen werden die aktuellen Fallzahlen wichtiger Krankheiten angezeigt, Covid: 30, Dengue: 0. Für die Zukunft sei es wichtig, die Mücke weiter zu bekämpfen, so Medina, «ohne Mücke kein Dengue», und verweist damit auf den Leitspruch der Kampagne.

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