Bionade-Gründer Peter Kowalsky: „Wir standen vor einem Scherbenhaufen“

bionade-gründer peter kowalsky: „wir standen vor einem scherbenhaufen“

Peter Kowalsky

Vor 30 Jahren hat Ihr Stiefvater, Dieter Leipold, das Herstellungsverfahren für Bionade patentieren lassen. Haben Sie damals gleich an den Erfolg geglaubt?

Ja, ich habe daran geglaubt. Vor der Patentanmeldung hatten wir schließlich schon zehn Jahre daran getüftelt, das Verfahren zu entwickeln, bis es funktioniert hat. Bionade ist also heute eigentlich 40 Jahre alt. Das Getränk ist aus der Not geboren, weil es der Brauerei meiner Mutter sehr schlecht ging. Was letztlich aus Bionade geworden ist, konnten wir uns damals aber noch nicht vorstellen. Wir dachten, jetzt haben wir es geschafft. Dass es erst richtig los geht, wussten wir nicht.

bionade-gründer peter kowalsky: „wir standen vor einem scherbenhaufen“

Die Brüder Peter (links) und Stephan Kowalsky im Jahr 2008

Zuerst blieb der Erfolg von Bionade aus – bis die Limonade in Hamburg zum Szenegetränk wurde. War das Ihr Ziel?

Nein, wir wollten nie, dass Bionade eine hippe Szenelimonade wird. Damals hat ein Getränkehändler in Hamburg das Getränk ins Schanzenviertel und in viele Bars gebracht. In Hamburg ist dann eine Bionade-Hysterie ausgebrochen, die auch auf Berlin und Köln ausgestrahlt hat. Wir haben das erst gar nicht ernst genommen. Für uns war Bionade eine gesunde Kinderlimonade, aber es kam anders.

bionade-gründer peter kowalsky: „wir standen vor einem scherbenhaufen“

Die frühere Privatbrauerei Peter in Ostheim in der Rhön

Bald kam der überregionale Durchbruch.

Ja, der Erfolg kam zunächst über Mundpropaganda. Die Leute haben Bionade persönlich weiterempfohlen, das hat zu einer emotionalen Bindung geführt, ohne dass Bionade den Leuten mit Werbung aufgedrückt wurde.

Später haben Sie doch Werbung gemacht: Der Bionade-Slogan hieß: „Das offizielle Getränk einer besseren Welt“

Ja, natürlich war das auch ein bisschen übertrieben. Keiner von uns kann allein die bessere Welt schaffen, aber wir wollten dazu beitragen. Wir haben sehr viel für Nachhaltigkeit getan. Und wir wollten ein gutes Getränk produzieren, das den Konsumenten nicht schadet.

Was war an der Bionade wirklich neu – jenseits der Weltverbesserungsattitüde, die mit dem Produkt verbunden wurde?

Vor uns wurden Limonaden immer nur gemischt. Die Basis jeder Limonade ist Zucker und Säure. Im richtigen Verhältnis empfindet man das als erfrischend. Wir haben stattdessen auf Fermentation und Braukenntnisse gesetzt, um Coca-Cola und Co. etwas Gesünderes gegenüberzustellen. Bionade wird gebraut, nicht gemixt. Anders als beim Bierbrauen, wo Stärke mit Hilfe von Hefe in Alkohol verstoffwechselt wird, entsteht bei der Herstellung von Bionade kein Alkohol. Statt Hefe werden besondere Bakterien verwendet, die die Stärke in der Bierwürze nicht in Alkohol, sondern in Gluconsäure verwandeln. Das ist ähnlich wie bei der Milchsäuregärung. Gluconsäure ist eine organische Säure, die sehr angenehm schmeckt und sehr gesund ist.

Auf der Erfolgswelle wollte Coca Cola Sie sogar übernehmen.

Ja, die Studentenwerke in Deutschland wollten uns im Sortiment haben, hatten aber einen exklusiven Liefervertrag mit Coca-Cola. Die Manager aus Amerika wurden so auf uns aufmerksam, sie kamen irgendwann in die Rhön und wir haben uns über einen Verkauf unterhalten. Das war für uns die große Bestätigung: Wir sind auf der richtigen Spur! Aber dann wollten wir erst recht nicht verkaufen.

Sie waren nach außen das Gesicht der Marke?

Ja, mein Bruder und ich haben uns die Arbeit aufgeteilt: Er in der Produktion, ich im Marketing und Vertrieb. Es war aber auch anstrengend, nach außen immer „Mister Bionade“ zu sein. Ich war auf vielen Preisverleihungen, habe etliche Interviews geführt und stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Aber ich musste dafür auch abends und am Wochenende ran. Und musste den Kopf hinhalten, als es Preiserhöhungen gab. Das muss man aushalten.

Erfolg hatte Bionade fraglos: Im Jahr 2006 haben Sie 200 Millionen Flaschen verkauft. Doch dann wollte einer Ihrer Geldgeber Kasse machen und hat seine Anteile an die Oetker-Gruppe verkauft. War das der Anfang vom Ende?

Ja. Unser Mitgesellschafter hatte finanzielle Probleme und musste daher seine Anteile verkaufen. Wir wollten die Anteile natürlich kaufen, aber die haben das Zehnfache des eigentlichen Werts gefordert. Das konnten wir uns nicht leisten. Und wir wurden vom Risikomanager der verhandelnden Banken gezwungen, die Preise zu erhöhen. Das Einzige, was ich dazu sagen durfte, war: „Das Original verträgt diesen Preis.“ Viele Kunden fanden das arrogant und waren verärgert. Die Anteile wurden an den verkauft, der am meisten bieten konnte: Das war Radeberger aus der Oetker-Gruppe . Die Oetker-Gruppe wollte aber nur einsteigen, wenn sie 70 Prozent bekommt. Da mussten wir zum Schluss zustimmen. Am Anfang waren wir noch euphorisch, endlich einen finanzstarken Partner mit Markendenke zu haben.

Zwischen Ihnen und Oetker hat es aber schnell geknirscht.

Ja, es gab große Turbulenzen. Wir haben sehr schnell festgestellt, dass da eine völlig andere Kultur war als unsere. Große Organisationen können mit kleinen Pflänzchen nicht umgehen. Ständig gab es Missverständnisse. Wir hatten auch nicht mehr viel zu sagen. Bionade wurde auch in PET-Flaschen abgefüllt. Später wollte Radeberger 1,5-Literflaschen beim Discounter Netto anbieten und hat Werbung auf RTL II geschaltet. Das hat alles nicht zu uns gepasst. Wir standen vor einem Scherbenhaufen.

Wie ging es weiter?

Wir haben es zwei Jahre ausgehalten und dann habe ich gesagt, dass es so nicht weitergeht. Wenige Wochen später standen wir vor unserer eigenen Tür.

Sie wurden herausgedrängt?

Ja, wir sind nicht freiwillig rausgegangen.

Das muss ein harter Schlag gewesen sein.

Wir waren von einem Moment auf den anderen alles los, was unser Leben bis dahin ausgemacht hatte. Das war für uns eine schlimme Zeit. Es gab nichts mehr zu tun und niemand hat mehr angerufen. Ich saß da und habe mich gefragt, wer ich bin und was mich ausmacht. War ich der, der Bionade groß gemacht hat oder hat Bionade mich groß gemacht? Ich habe viel gezweifelt. Man ist jemand anderes, wenn das alles weg ist. Das war Anfang 2012. Wir durften nicht mehr in den Betrieb rein. Die Bionade-Mitarbeiter durften nicht mehr mit uns reden. Es war alles sehr schräg.

Auch der Absatz von Bionade ging zurück, es gab viele billige Nachahmer. Die Oetker-Gruppe hat das Unternehmen später an Hassia verkauft. Wie ging es für Sie persönlich weiter?

Für Bionade haben mein Bruder und ich jahrzehntelang zusammengearbeitet, das hat uns zusammengeschweißt. Aber als damit Schluss war, haben wir beide gesagt, wir machen jetzt erst mal nichts mehr miteinander. Ich bin 2014 nach Berlin gezogen. Dort habe ich gemeinsam mit einem Freund zwei Jahre lang ehrenamtlich Start-ups beraten, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben. Durch unsere Geschichte, konnten wir denen Mut machen, dass nachhaltiges Wirtschaften funktionieren kann.

Und Ihr Bruder?

Meine Mutter und mein Bruder wohnen immer noch neben unserer ehemaligen Brauerei in Ostheim in der Rhön, also bekomme ich noch mit, was sich dort verändert. Mein Bruder hat mittlerweile eine neue Brauerei aufgebaut und hat dort auch einen sehr gut laufenden Biergarten. In Berlin würde man ihn als „Craft-Beer-Brauer“ bezeichnen. Sein Bier könnte man in der Hauptstadt sicher – gerade mit seiner Geschichte – sehr gut vermarkten. Das will er aber gar nicht. Er ist glücklich, mit dem was er macht.

Sie sind selbst auch wieder in der Getränkebranche tätig.

Ja, ich habe durch Zufall einen Pharmazeuten kennengelernt, der eine neue Pflanzenrezeptur entwickelt hat. Daraus ist „Inju“ entstanden, ein Tonikum. Inju ist ein Kunstwort, es bedeutet so viel wie „in dir“. Während wir bei Bionade das gute Gewissen der Konsumenten ansprechen wollten, soll Inju mit seinen pflanzlichen Wirkstoffen wirklich zu einem besseren körperlichen Wohlbefinden beitragen.

Was ist da drin?

Zum Beispiel Kurkuma, Ginseng, Ashwagandha und zusätzlich Vitamine und Mineralstoffe. Also Inhaltsstoffe, die die Gesundheit ganzheitlich fördern.

Wie erfolgreich ist das?

Frauen sind dafür offener als Männer. Das war bei der Bionade aber anfangs auch so. Wir sind gerade dabei, in viele Reformhäuser, Biomärkte und Drogerieketten reinzukommen. Die Menschen sind mittlerweile sensibilisiert für Bio und Regionales. Corona hat dem Gesundheitsbewusstsein nochmals einen Schub gegeben. Es sieht gut aus für Inju, wir haben dafür aber auch acht Jahre gebraucht.

Was ist das Wichtigste, das Sie aus der ganzen Bionade-Geschichte gelernt haben?

Es kommt immer anders als gedacht. Und das ist gut so.

Trinken Sie selbst noch Bionade?

Selten. Ich habe die Bionade ja mit auf die Welt gebracht, habe sie zusammen mit meinem Stiefvater entwickelt. Aber es schmeckt heute anders als früher. Es sind andere Substanzen drin. Und ein anderer Geist.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World