Raffinerie in Schwedt: Warum darf die Bundesregierung Rosneft enteignen?

raffinerie in schwedt: warum darf die bundesregierung rosneft enteignen?

Der russische Raffineriebetreiber Rosneft Deutschland (RD) ist Mehrheitseigner der Raffinerie PCK im brandenburgischen Schwedt.

Die Bundesregierung prüft eine Enteignung von Rosneft Deutschland, der russische Mutterkonzern Rosneft will klagen – zu Recht?

In einer Stellungnahme am Donnerstag erklärte die Berliner Anwaltskanzlei von Rosneft Deutschland, Malmendier Legal, eine Enteignung wäre „in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands beispiellos“.  Der russische Staatskonzern werde „alle notwendigen Maßnahmen“ ergreifen, um die Rechte seiner Aktionäre zu schützen.

Das Bundeswirtschaftsministerium unter der Leitung von Robert Habeck (Grüne) hatte Anfang der Woche Rosneft zu einer Anhörung geladen. Es sollte dabei um eine mögliche Verstaatlichung von Vermögenswerten des Konzerns in Deutschland gehen. Hintergrund ist, dass die Treuhandschaft des Bundes für den Rosneft-Anteil an der Raffinerie in Schwedt am 10. März ausläuft. Rosneft warnte davor, dass jegliche Maßnahmen zur Verstaatlichung seiner Vermögenswerte in Deutschland „die Sicherheit von Investitionen für immer beeinträchtigen“ würden.

Zu den bedeutendsten Vermögenswerten von Rosneft in Deutschland gehört der Anteil von 54,17 Prozent an der PCK-Raffinerie in Schwedt, Brandenburg. Die Raffinerie deckt 95 Prozent des Kraftstoffbedarfs von Berlin und Brandenburg und macht etwa zehn Prozent der gesamten deutschen Kraftstoffproduktion aus.

Im September 2022 hatte die Bundesregierung die Kontrolle über den Mehrheitseigner der Raffinerie übernommen und diesen der Treuhandschaft der Bundesnetzagentur (BNA) unterstellt. Ende des Jahres hatte Rosneft eine Klage gegen die Treuhandgesellschaft eingereicht und angekündigt, weitere rechtliche Schritte beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, beim Schiedsgericht für Investitionsschutz und beim Gerichtshof der Europäischen Union vorzubereiten.

Bertrand Maliender, ein Anwalt von Rosneft in Deutschland, verweist dabei auf das bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und Russland. Russland trat nämlich die Rechtsnachfolge der 1989 mit der Sowjetunion geschlossenen Vereinbarung an. Wirtschaftsvertretungen und Anwälte machen auch deutsche Unternehmen in Russland auf diesen Schutzmechanismus aufmerksam, falls ihnen eine Verstaatlichung durch die russische Regierung droht. Solche Fälle sind der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt.

Dieses Investitionsschutzabkommen räumt russischen Investoren in Deutschland nach Angaben des Rosneft-Anwalts die gleichen Rechte ein wie die deutsche Verfassung. Ein Enteignungsbeschluss würde somit gegen dieses Abkommen verstoßen.

Das deutsche Wirtschaftsministerium sieht den Fall anders. Das vorrangige Ziel der Regierung bestehe darin, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Rosneft Deutschland und PCK Schwedt sowie die Raffinerien MiRO und Bayernoil (die beiden anderen deutschen Anlagen im Besitz von Rosneft) zuverlässig und dauerhaft betrieben werden, heißt es von der Pressestelle.

Grundlage für die Enteignung ist in diesem Fall das deutsche Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung, das seit Russlands Angriff auf die Ukraine deutlich aktualisiert wurde. Nach diesem Gesetz wurde bereits die ehemalige Gazprom-Tochter in Deutschland, heute Securing Energy for Europe (Sefe), verstaatlicht. Dabei wurde der russische Mutterkonzern Gazprom nicht von der EU sanktioniert. Rosneft wurde dagegen teilweise sanktioniert: Der Konzern darf in Europa keine neuen Investitionen in den Energiesektor mehr tätigen. Der Vorstandsvorsitzende des Konzerns Igor Sechin steht ebenfalls auf der Sanktionsliste.

Es bleibt unklar, ob Rosneft im Fall einer Verstaatlichung einen Anspruch auf Entschädigung hätte. Die russische Zeitung Wedomosti hatte bereits im Jahr 2022 unter Berufung auf ein Beratungsunternehmen berichtet, die Vermögenswerte von Rosneft in Deutschland würden sich auf bis zu sieben Milliarden US-Dollar belaufen. Das Wirtschaftsministerium hat bisher keine Angaben dazu gemacht.

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