15 Jahre Haft für gleichgeschlechtliche Beziehungen: Ein neues Gesetz gegen Homosexualität im Irak sorgt für Kritik
Das Gesetz wurde kurz nach einem Besuch des irakischen Ministerpräsidenten Mohammed Shia al-Sudani in Washington ;verabschiedet. Thaier Al-Sudani / Reuters
Homosexuellen im Irak drohen künftig bis zu 15 Jahre Haft. Auch die Propagierung von Homosexualität kann mit einer Gefängnisstrafe von 7 Jahren geahndet werden. Der Wechsel des biologischen Geschlechts und medizinische Eingriffe zu diesem Zwecke sollen ebenfalls mit Haftstrafen belegt werden. So sieht es ein neues Gesetz vor, das am Samstag vom irakischen Parlament verabschiedet wurde. Westliche Staaten und Menschenrechtsorganisationen hatten sich vergeblich gegen die Annahme des Gesetzesentwurfes gewandt.
Das Uno-Menschenrechtsbüro zeigte sich alarmiert über die Verschärfung der Bestimmungen, die als Zusatz zu einem Antiprostitutionsgesetz von 1988 verabschiedet wurden. Das amerikanische Aussenministerium warnte vor den Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung des Iraks. Der britische Aussenminister David Cameron bezeichnete das Gesetz als «gefährlich und beunruhigend». Niemand solle für das bestraft werden, was er sei.
Die Befürworter der Reform verbaten sich die Einmischung westlicher Staaten. Eine Gruppe von Abgeordneten forderte am Sonntag die Ausweisung der amerikanischen Botschafterin in Bagdad, nachdem diese das Gesetz kritisiert hatte. Der Abgeordnete Raed al-Maliki, der das Gesetz ins Parlament eingebracht hatte, hatte allerdings dessen Verabschiedung verschoben, um einen Besuch von Ministerpräsident Mohammed Shia al-Sudani Mitte April in Washington nicht zu belasten.
Zumindest die Todesstrafe wurde gestrichen
Auf Druck des Westens wurde aus dem Entwurf auch eine Passage gestrichen, welche die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen vorgesehen hatte. Weltweit gibt es derzeit mehr als 60 Staaten, die Homosexualität unter Strafe stellen. Nur eine Handvoll sieht dafür aber die Todesstrafe vor – darunter Saudiarabien, Afghanistan, Jemen und Iran. Meist stützt sich dies auf eine Bestimmung der Scharia, gemäss der ausserehelicher Sex mit der Todesstrafe geahndet wird.
Im Irak waren homosexuelle Handlungen bisher straffrei. Allerdings gibt es seit Jahren Übergriffe auf Schwule, Lesben und Transpersonen seitens der schiitischen Milizen. Human Rights Watch dokumentierte vor zwei Jahren in einem Bericht Dutzende Fälle von Entführungen, Vergewaltigungen und Morden durch Mitglieder bewaffneter Gruppen. Die Organisation beklagte, die Angehörigen der LGBT-Gemeinde lebten in ständiger Angst, da die Täter meist straflos blieben.
Die islamistischen Parteien im Irak haben in den letzten Jahren die Hetze gegen die LGBT-Gemeinde verschärft. Sie stecken auch hinter dem neuen Gesetz. Der irakische Parlamentspräsident Mohsen al-Mandalawi sprach von einem «notwendigen Schritt zur Verteidigung der Wertestruktur der Gesellschaft». Die Befürworter des Gesetzes stellen Homosexualität als Import aus dem dekadenten Westen dar, der die Werte des Islam gefährdet. Dies ist paradox, da die heutige Ablehnung der Homosexualität viel mit dem Einfluss des Westens zu tun hat.
Homoerotische Beziehungen wurden lange geduldet
Anders als im Christentum gab es in der islamischen Welt nie eine systematische Verfolgung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Die Scharia kennt zwar Strafen für Analsex, doch wurden diese selten angewandt. Die Scharia stützt sich beim Verbot von Analsex auf Aussagen des Propheten, nicht auf den Koran selbst. Dieser enthält zwar mit der Geschichte von Sodom eine Passage, die als Verurteilung von Sex unter Männern verstanden wird. Das Konzept der Homosexualität im modernen Sinn ist dem Islam aber fremd.
Homoerotische Beziehungen haben eine lange Tradition in der islamisch geprägten Welt, wie sich auch in der klassischen Dichtung zeigt. Sie waren lange gesellschaftlich akzeptiert und auch vom Staat und von den Mullahs geduldet. Noch im frühen 20. Jahrhundert priesen schwule Schriftsteller und Künstler aus dem homophoben Europa die Toleranz in den Ländern Nordafrikas, während heterosexuelle Reisende aus Europa die Muslime als effeminierte Päderasten schmähten.
Erst der Einfluss der europäischen Kolonialmächte, die Homosexualität als kranke und anormale Wesensart darstellten, führte dazu, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen auch in muslimischen Gesellschaften als sündhaft und strafwürdig geächtet wurden. Heute werden Homosexuelle in vielen muslimischen Ländern ausgegrenzt, entrechtet und verfolgt – auch in vordergründig säkularen Staaten wie Ägypten, der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das neue Gesetz im Irak steht damit für eine traurige Normalität in der Region.