Touristen beschimpft und bedroht: "Historische Proteste“ auf den Kanaren

Touristen beschimpft und bedroht: “Historische Proteste“ auf den Kanaren

Tausende Menschen werden am Samstag auf den Kanarischen Inseln protestieren, um ein dringendes Umdenken in der Tourismusindustrie des spanischen Archipels und einen Stopp der Touristenzahlen zu fordern. Die Proteste, die von mehreren Bürgerinitiativen organisiert wurden und die unter dem Motto “Canarias tiene un límite” (Die Kanaren haben ein Limit) stattfinden, werden von mehreren Umweltgruppen unterstützt. Die Organisatoren stellen „einen der größten Proteste in der Geschichte der Region“ in Aussicht.

Elf Mitglieder der Organisation “Canarias se agota” (Die Kanaren haben genug) befinden sich bereits seit einer Woche im Hungerstreik, um gegen den Bau von zwei großen Luxussiedlungen im Süden Teneriffas zu protestieren, die sie als “illegal” und völlig unnötig bezeichnen.

“Von Tourismusphobie heimgesucht”

Der Massentourismus wird für Umweltzerstörung, Staus, Wohnungsnot, Überfüllung, Preisanstiege und Wassermangel sowie für die Überlastung des Gesundheitssektors und der Abfallentsorgung verantwortlich gemacht. „Die Kanaren werden von Tourismusphobie heimgesucht“, stellte das Fachportal Hosteltur im Vorfeld der Demonstrationen fest. Die Regionalblatt El Diario schrieb, die Kanaren seien ein Pulverfass.

Touristen werden von Aktivisten beschimpft und teilweise sogar mit Schlägen bedroht. Man sieht auf dem von Medien geposteten Video Plakate mit Aufschriften wie „Tourists go Home“ oder „Esta es nuestra tierra“ (Das ist unser Land). Ähnliche Aktionen, touristenfeindliche Graffiti und Proteste verärgerter Bürger gibt es in Spanien immer häufiger.

Viele Forderungen

Was will man mit den Protestaktionen erreichen? Die Liste ist lang. Man verlangt einen Baustopp für Hotels und Golfplätze, die Einführung einer Übernachtungssteuer, wie es sie schon länger etwa auf den Balearen oder in Barcelona gibt, und eine bessere Regulierung der Ferienwohnungen.

Gefordert wird auch eine Diversifizierung der Wirtschaft, mit einer stärkeren Förderung von Industrie und Landwirtschaft, um nicht mehr so stark vom Tourismus abhängig zu sein. Die Branche macht 35 Prozent des kanarischen Inlandsprodukts aus und beschäftigt 40 Prozent aller arbeitenden Menschen der sogenannten Autonomen Gemeinschaft.

Einst waren die Kanaren eine „Friedensoase“ – dann kamen die Touristenmassen

Traditionell galten die Kanaren als eine ruhige Destination mit relativ wenigen Sauftouristen und Bettenburgen. Die „Inseln des ewigen Frühlings“ vor der Westküste Afrikas wurden vor allem von Wanderern, Tauchern, Surfern, Golfern, Radtouristen, Rentnern, ruhigen Sonnenanbetern und Naturliebhabern wie der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel geschätzt. Doch in den letzten Jahren hat sich das merklich geändert.

Das hat mit dem Bau von zum Teil riesigen Hotelanlagen in eigentlich geschützten Naturparadiesen, mit dem Boom des Ferienwohnungsgeschäfts und den sprunghaft gestiegenen Besucherzahlen zu tun. Allein aus dem Ausland kamen voriges Jahr rund 14 Millionen Menschen auf die Kanaren. Gut 13 Prozent mehr als 2022 und über sechs Prozent mehr als vor Pandemie-Ausbruch im Jahr 2019. Die Tendenz setzt sich dieses Jahr fort. Vom Boom profitieren aber nur ganz wenige. Unter den 17 Autonomen Gemeinschaften Spaniens, die den deutschen Bundesländern entsprechen, sind die Kanaren die zweitärmsten.

„Die Armut nimmt zu, die Lebensqualität ab, auf den Straßen sieht man so viele Obdachlose wie nie zuvor“, behauptete Aktivist Rubén Pérez im Gespräch mit der Digitalzeitung Vozpópuli: Man nähere sich dem „sozialen und ökologischen Kollaps“. Sein Kollege Jaime Coello warnt in der Zeitung La Provincia vor einem „Desaster“. „Alles scheint in den Dienst des Tourismus gestellt zu werden. Die Bedürfnisse der Bevölkerung werden nicht berücksichtigt“, klagte er.

Probleme mit Tourismus-Exzessen gibt es anderswo schon länger

Tourismusverdrossenheit gibt es vor allem in Barcelona und auf den Balearen schon länger. Dort wurden viele Maßnahmen ergriffen, die aber nicht den erhofften Erfolg brachten. Am „Ballermann“ gab es zum Beispiel „Benimmregeln“ und eine „Qualitätsoffensive“. Die Lage werde aber schlimmer, meinte der bekannte Gastrounternehmer Juan Ferrer im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur im vorigen Sommer. „Jetzt ist die ganze Promenade zweieinhalb, drei Kilometer lang von Leuten übernommen worden, die total besoffen sind.“ Man gibt aber nicht auf. Anfang April kündigte die Stadt Palma eine neue Verordnung mit Strafen von bis 3000 Euro für Vergehen wie das „Wildpinkeln“ auf der Straße an.

Auf den Kanaren ist Regionalpräsident Fernando Clavijo derweil um Schadensbegrenzung bemüht. Der vom Tourismus erzeugte Reichtum müsse besser verteilt werden, forderte er jüngst, schließlich profitiere die Branche ja von der Natur, „die allen gehört“. Erstaunliche Worte für einen Konservativen, die mit der explosiven Lage zu erklären sind. Clavijo „begrüßte“ diese Woche die Debatte und stellte Maßnahmen in Aussicht. Aber er warnte auch vor Aktionen gegen Touristen. „Die Menschen, die zu uns kommen, um sich ein paar Tage zu amüsieren und ihr Geld auf den Kanaren lassen, sollten nicht beschimpft werden.“

Touristen um Sicherheit besorgt

Die feindliche Einstellung einiger habe sich über die Grenzen der Region herumgesprochen, sagte der Chef des Hotelierverbandes Ashotel, Jorge Marichal. Nach einer Sendung im britischen TV habe er besorgte Anrufe bekommen, ob ein Besuch Teneriffas „noch sicher“ sei. Sein Vize Gabriel Wolgeschaffen forderte: „Lasst doch die Kuh, die uns Milch gibt, in Ruhe!“

Die Aktivisten beteuern, es gebe keine „Turismofobia“. „Wir führen keinen Krieg gegen Touristen oder gar gegen Unternehmer der Branche“, sagte Coello. Man reagiere vielmehr auf eine sehr angespannte Lage. In die gleiche Kerbe schlägt der Biologe und bekannte Dokumentarfilmer Felipe Ravina: „Seit Jahren werben wir für uns als weltweit einzigartiges Naturreiseziel, aber der Tourismus zerstört das Produkt, das wir verkaufen. Die (aktuellen) Touristenzahlen sind aus sozialer und ökologischer Sicht unhaltbar.“

News Related

OTHER NEWS

Fix! Diese Personen bekommen bald mehr Geld aufs Konto

Fix! Diese Personen bekommen bald mehr Geld aufs Konto In der dritten Runde der Kollektivvertragsverhandlungen in der Sozialwirtschaft ist in der Nacht eine Einigung erzielt worden. Das sind die Details. ... Read more »

Sozialwirtschaft: KV-Abschluss nach 16 Stunden

++ THEMENBILD ++ PFLEGE / KRANKENPFLEGE / PFLEGEREGRESS / ALTENPFLEGE / GESUNDHEIT Einen Durchbruch hatte die dritte Runde der Kollektivvertragsverhandlungen für die Beschäftigten im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich (“Sozialwirtschaft Österreich”) ... Read more »

Struber: "Wir wissen, dass es bereits jetzt eine Entscheidung geben kann"

Red Bull Salzburg hat am Mittwoch ein schwieriges Auswärtsspiel bei Gruppenleader Real Sociedad zu bestreiten. Die Mozartstädter denken vor der Begegnung aber nicht an die Tabellenkonstellation. Gerhard Struber ruft dazu ... Read more »

Experten stehen vor Rätsel: Mysteriöse Alien-Kugel an Strand gefunden!

Alien-Kugel Die mysteriöse Metallkugel mit einem Durchmesser von etwa 1,5 Metern hat im Internet für heftige Spekulationen gesorgt. Die Polizei und die Anwohner einer japanischen Küstenstadt stehen vor einem Rätsel: ... Read more »

Feinstaub in Österreich: Richtwerte 2022 an allen Messstellen überschritten

Das Land Salzburg hat festgestellt, dass allein das kürzlich aufgehobene flexible Tempolimit 100 (IG-L Tempolimit) auf der Tauernautobahn (A10) den Stickoxidausstoß beim Pkw-Verkehr um 19 Prozent reduzierte. 2022 sind bei ... Read more »

„Wäre besser für uns, stärkere Gegner zu bekommen“

„Wäre besser für uns, stärkere Gegner zu bekommen“ Nach der erfolgreichen EM-Qualifikation und dem souveränen Auftritt gegen Deutschland hängen die Trauben in Österreich hoch. Bereits am Samstag wird darüber entschieden, ... Read more »

Gvardiol freut sich auf RB-Duell

Verteidiger Josko Gvardiol von Champions-League-Sieger Manchester City geht die Partie gegen seinen Ex-Klub RB Leipzig mit vollem Fokus an. Gvardiol freut sich auf RB-Duell Verteidiger Josko Gvardiol vom Champions-League-Sieger Manchester ... Read more »
Top List in the World