1. Mai in Berlin: Wo Sie den Tag genießen können – ohne Demonstranten, ohne Polizisten
Kaum zu glauben, aber auch das ist Berlin: der Britzer Garten in Neukölln in all seiner Pracht
Die Arbeit soll ruhen, das Wetter wird prächtig – der Mittwoch könnte ein wunderschöner Tag werden! Wenn da nicht die albernen Kapriolen wären, die in unserer Stadt am 1. Mai traditionell geschlagen werden.
Zwar haben die Ausschreitungen in den vergangenen Jahren in ihrer Intensität und Dauer nachgelassen. So richtig gemütlich ist es am 1. Mai in Berlin aber trotzdem nicht – zumindest nicht überall. Wir haben ein paar Ideen, wie und wo Sie den Feiertag genießen können.
Der Ortsteil der Stadt Ketzin/Havel liegt rund 40 Kilometer westlich der Hauptstadt und Lichtjahre entfernt vom Berliner Trubel. Ende des 19. Jahrhunderts erwarb der spätere König Friedrich Wilhelm III. den Ortsteil und verbrachte dort viele Jahre gemeinsam mit seiner Frau den Sommer in Schloss Paretz, einem ehemaligen Rittergut. Dorthin flüchteten der König und seine Frau Luise vor dem strengen Protokoll, ein Refugium also, um wenigstens an ein paar Tagen im Jahr ein intimeres Familienleben zu führen.
Geruhsamer wird’s nicht als im Park und Schloss Paretz. Der 1. Mai in Berlin ist hier fern.
Und genau dieser Wunsch nach Ruhe abseits der Betriebsamkeit der Metropole macht Paretz auch für uns am 1. Mai zu einem idealen Ausflugsziel. Besuchen Sie das fast schlichte Schlösschen im klassizistischen Stil, spazieren Sie durch den Park oder das Musterdorf, kurz: Atmen Sie tief durch.
Marcus Weingärtner
Schloss und Park Paretz. Parkring 1, 14669 Paretz/Ketzin. Eintritt 8, ermäßigt 6 Euro. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17.30 Uhr
Romantische Brückenübergänge, ein buntes Meer aus 180 verschiedenen Tulpensorten und eine grüne Liegewiese ohne Bierflaschen und Plastikabfall: Der Landschaftspark Britzer Garten, der 1985 für die Bundesgartenschau neu entstand, bringt ein Stück Natur in die gestresste Großstadtseele. Ziegen, Esel und Schafe machen dabei vor, wie man den arbeitsfreien Tag ohne Krawall und Remmidemmi verbringt. Nämlich entspannt im Gras und hoffentlich mit Snacks für ein Picknick in der Nähe.
Dabei ist der Park ideal für einen ausgedehnten Spaziergang, ohne die gleichen Wege zweimal gehen zu müssen, denn die Grünfläche am Rande Neuköllns erstreckt sich auf 90 Hektar. Mehrere Trimm-dich-Geräte, ein Outdoor-Schachfeld und mehrere Abenteuerspielplätze wecken den Entdeckergeist genauso wie die drei Seen mit ihren tierischen Bewohnern. Zu gucken gibt es genug, ganz deutlich ins Blickfeld rückt die 20 Meter hohe, noch funktionstüchtige Holländermühle.
Das Gegenkonstrukt zum Krawall: der Britzer Garten im Westen von Neukölln
Tatsächlich steht der 1. Mai im Britzer Garten ganz im Zeichen des Tanzens, aber mehr als Kunstform denn als Party. Auf dem Festplatz am See zeigen mehrere Tanzgruppen, was sie können. Ob Flamenco, schottische Volkstänze oder Stepptanz.
Yuki Schubert
Britzer Garten. Sangerhauser Weg 1, 12349 Berlin. Eintritt für Erwachsene 3 Euro. Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 9 bis 18 Uhr, Sa./So. 9 bis 19 Uhr
Eine Stunde Autofahrt und man kann relativ sicher sein: Hier gibt es weniger Berliner, weniger Großstadtlärm und auf jeden Fall keine Krawalltouristen mehr. Dafür viel Ruhe, Natur und – wenn man den wunderbaren Wildpark Schorfheide ansteuert – trotzdem ein wenig Nervenkitzel. Der kommt aber nicht durch Wasserwerfer oder fliegende Pflastersteine zustande, sondern durch die Anwesenheit von Wölfen.
Bis man ans Wolfsgehege kommt, hat man allerdings erst mal einen langen Spaziergang über das rund 100 Hektar große Areal am Rande der Schorfheide zu absolvieren. Mit Kindern bleibt man ohnehin erst mal am Abenteuerspielplatz hängen, und danach wollen ja auch noch die niedlichen Ziegen im Streichelgehege gefüttert werden.
Nervenkitzel, aber anders: Wölfe in ihrem Gehege im Wildpark Schorfheide
Dann schlendert man gemächlich weiter, zu den Wollschweinen, den Wisenten, den Wildschweinen. Das ist eine Besonderheit der 1996 gegründeten Anlage: Hier leben ausschließlich Tierarten, die in der Schorfheide einst heimisch waren oder es immer noch sind. Auch Elch und Luchs sind hier in weitläufigen Gehegen zu Hause – und eben die Wölfe.
Die zu entdecken, ist allerdings gar nicht so einfach. Es gibt eine Aussichtsplattform, aber auch viele Bäume und Büsche, sodass sich die scheuen Tiere gut verstecken können. Bei unserem letzten Besuch ließ sich nach 20 Minuten ein Wolfspaar direkt vor uns am Zaun blicken – ein eindrucksvolles Erlebnis! Noch ein Tipp: Auf den sieben Kilometer langen Wanderwegen kann man viel Zeit verbringen. Am besten nimmt man sich für die Rastplätze unterwegs ein Picknick mit – und für laufmüde Kinder einen Bollerwagen. Laufmüden Erwachsenen sei eine Kremserfahrt empfohlen.
Anne Vorbringer
Wildpark Schorfheide. Prenzlauer Straße 16, 16244 Schorfheide OT Groß Schönebeck. Eintritt 10, ermäßigt 7 Euro. Öffnungszeiten: täglich von 9 bis 19 Uhr
Zum Schluss noch ein Vorschlag zur Güte: Bleiben Sie am 1. Mai doch einfach mal zu Hause! Ich mache das seit Jahren so und kann Ihnen daher begeistert berichten: Steine werfende Demonstranten, betrunkene Wildpinkler und vermummte Polizisten sind mir zwischen meinem Bett und meinem Sofa noch nie begegnet.
Klar: Das Wetter wird gut, um die 26 Grad zeigen die Apps an. Eigentlich perfekt, um den Tag draußen zu verbringen. Und vielleicht können Sie das ja auch, weil Sie einen Balkon oder eine Terrasse haben. Oder Sie machen’s wie ich, öffnen einfach weit das Wohnungsfenster, lassen die Sonne herein und freuen sich diebisch, wenn aus der Ferne der Sound des 1.-Mai-Terrors bis in ihre Wohnung dringt.
Nur der Sound dröhnt von weit her: Balkonien, eine Insel der Ruhe
Da ich direkt neben einer der größten Polizeidienststellen der Stadt wohne, kenne ich das schon: An keinem Tag rauschen so viele Polizeiwagen an meinem Fenster vorbei wie am 1. Mai. Und ich freue mich jedes Mal, dass ich mit dem Theater nichts mehr zu tun habe. Bin ich früher selbst gern rausgegangen, um mich rund ums Kottbusser Tor zu vergnügen, genieße ich heute die sagenhafte Ruhe, die sich mir am Feiertag in meinen vier Wänden bietet.
Und die viele Zeit, die ich sinnvoll zu nutzen weiß! Der Frühjahrsputz, der auf seinen Anfang wartet; das gerahmte Bild, das ich seit Monaten schon aufhängen will; die Post, die viel zu lange unbeantwortet geblieben ist – hab ich alles längst erledigt, wenn draußen noch die Steine fliegen. Herrlich! Manuel Almeida Vergara