1. Mai in Berlin: Wann die Polizei gegen Demonstranten eingreifen wird
Eine Teilnehmerin einer pro-palästinensischen Demonstration in Berlin
Nach dem letzten 1. Mai hatte Stephan Katte die Hoffnung, dass das alljährliche Gewaltritual zu Ende ist. Und dass er in diesem Jahr weniger Beamte einsetzen kann als sonst. Doch dann seien „bestimmte weltpolitische Ereignisse“ aufgetreten, sagt Katte, der am 1. Mai den Polizeieinsatz für Berlin leiten wird. Der Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel und der nachfolgende Krieg in Gaza haben die Situation auch in Berlin aufgeheizt.
Der sogenannte Nahostkonflikt dürfte in diesem Jahr für eine aggressive Stimmung bei der traditionellen 18-Uhr-Demo sorgen. Der Aufzug am Mittwoch mit Tausenden Teilnehmern soll vom Südstern über Hasenheide, Karl-Marx-Straße, Sonnenallee, Hermannplatz wieder zurück zum Südstern ziehen – so der Veranstalter ihn nicht vorzeitig beendet, wie es in früheren Jahren schon oft vorkam. In den vergangenen Jahren wurde die 18-Uhr-Demo von der „Migrantifa“ weitgehend übernommen, einem Zusammenschluss migrantisch geprägter linksradikaler Gruppen.
Es ist zu erwarten, dass – wie bei vorangegangenen Versammlungen – wieder antisemitische und volksverhetzende Parolen gerufen werden, dass die Auslöschung Israels gefordert wird. „From the river to the sea – Palestine will be free“ ist solch eine Losung, mit der die Vertreibung der Juden aus dem Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer gefordert wird. Die Polizei wird bei solchen Anlässen „mit niedriger Einschreitschwelle durchgreifen“, wie Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagt. „Verhältnismäßig, aber konsequent.“
Stephan Katte, vom Dienstgrad Direktor bei der Polizei Berlin, leitet die Direktion Einsatz, der unter anderem die Hundertschaften der Bereitschaftspolizei unterstehen. Er erläutert, was man sich unter „verhältnismäßig, aber konsequent“ vorstellen muss, wenn es zu antisemitischen und Gewaltaufrufen in einem Aufzug kommt: Die Polizei trete immer an den Veranstalter heran, mit der Aufforderung, auf die Versammlungsteilnehmer einzuwirken.
Sollte der Veranstaltungsleiter sich nicht durchsetzen, dann sieht das Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz ein abgestuftes Vorgehen der Polizei vor. So kann die Polizei zunächst einzelne Straftäter aus dem Aufzug holen. Sollte das nicht reichen, kann die Polizei einen Aufzug anhalten oder Kommunikationsmittel wie Lautsprecherwagen beziehungsweise Megaphone abschalten.
Die letzte Möglichkeit laut Gesetz: Sie kann jenen Demoblock, von dem unfriedliche Aktionen ausgehen, aus dem Aufzug ausschließen oder eine Demo ganz auflösen. Dies gilt für alle Aufzüge, nicht nur für die 18-Uhr-Demo.
Zu den Beschränkungen, die die Polizei den Veranstaltern dieses Aufzugs aufgelegt hat, gehören das Verbot antisemitischer und volksverhetzender Parolen. „Darüber hinausgehende Beschränkungen gibt es nicht. Dafür sehe ich überhaupt keine Veranlassung“, sagt Katte. Auch wenn er davon ausgeht, dass die Stimmung dieses Mal wesentlich emotionaler sein wird, was aber nicht unbedingt mehr Krawall bedeuten muss.
Um schon im Vorfeld zu deeskalieren, ging die Polizei an Schulen und sprach mit Schülern. Sie hat Warnbriefe an einschlägig bekannte Gewalttäter verschickt und suchte mehr als 30 Personen zwecks sogenannter Gefährderansprachen zu Hause auf. Mehr als 70 Kommunikationsbeamte werden bei allen Veranstaltungen am 1. Mai dabei sein.
Das Sperrkonzept der Polizei am 1. Mai sieht laut Katte ein intensives „Crowdmanagement“ vor. Nach dem Sperrkonzept sollen Menschenmengen umgelenkt werden. Dies geschehe fast analog zu den Böllerverbotszonen zu Silvester, so Katte. Die Polizei will vermeiden, dass sich beispielsweise in der Mitte des Hermannplatzes eine Menge so versammelt, dass die Polizei nicht mehr zu ihr vordringen kann. Zur Unterstützung dieser Maßnahme wollen die Beamten Absperrgitter und viel Licht einsetzen.
Im Großeinsatz befindet sich auch das Social-Media-Team der Polizei. Erstmals soll dementsprechend auch ein WhatsApp-Kanal eingerichtet werden. Dieser gilt als „Generalprobe für die EM“. Nähere Infos folgen auf den bereits bekannten Kanälen der Polizei.