1. FC Union Berlin: Neuer Trainer Marco Grote soll die Eisernen in der Bundesliga halten
Marco Grote übernimmt erneut das Traineramt beim 1. FC Union Berlin und bereitet die Mannschaft auf die letzten beiden Partien der Saison vor.
Am Tag nach dem Tiefschlag leitete Nenad Bjelica beim 1. FC Union Berlin am Vormittag noch das Spielersatztraining. Der Trainer der Eisernen grüßte freundlich, bevor er den Nebenplatz am Stadion An der Alten Försterei betrat, wirkte einigermaßen gefasst. Hinter dem 52-Jährigen dürfte eine schlaflose Nacht gelegen haben. Mit 3:4 (0:3) hatten die Köpenicker am Sonntag in der Heimstätte der Unioner den Abstiegsgipfel gegen den VfL Bochum verloren und dabei in den ersten 45 Minuten ein desaströses Bild abgegeben.
Auch Präsident Dirk Zingler, Manager Oliver Ruhnert und alle anderen Verantwortlichen dürften nur schwer ein Auge zubekommen haben. Während Bjelica noch auf dem Rasen stand, liefen im Hintergrund Gespräche über seine Ablösung. Den üblichen Trainingsplan für die folgende Woche gab es an diesem Sonntag auch nicht.
Und tatsächlich war wenige Stunden nach der Übungseinheit am Montag das beschlossene Sache, was im Umfeld keine wirkliche Überraschung mehr war: Der Verein trennte sich mit sofortiger Wirkung von Bjelica und seinen Co-Trainern Danijel Jumic und Nino Bule. Stattdessen bereiten Marco Grote als hauptverantwortlicher Coach sowie Marie-Louise Eta und Sebastian Bönig als seine Assistenten die Mannschaft auf das nächste Kellerduell beim 1. FC Köln (Sonnabend, 15.30 Uhr) vor.
„Wir brauchen im Kampf um den Verbleib in der Bundesliga die Kraft des gesamten Vereins und natürlich auch die unserer Mannschaft. Marco Grote und seinem Team trauen wir zu, unsere Spieler wieder an ihre Leistungsgrenze zu führen, um die verbleibenden Partien bis zum Saisonende erfolgreich zu gestalten“, erklärte Zingler in einer Mitteilung des Vereins. Und weiter: „Bei Nenad Bjelica und seinem Team möchte ich mich für die geleistete Arbeit bedanken. Es ist ihnen gelungen, die Mannschaft in einer äußerst schwierigen Situation zu stabilisieren, mit dem Ergebnis, dass wir den Klassenerhalt aus eigener Kraft schaffen können.“
Bjelica hatte die Mannschaft im November vergangenen Jahres auf dem vorletzten Tabellenplatz übernommen und noch vor Weihnachten wichtige Heimspiele gegen Borussia Mönchengladbach (3:1) und den 1. FC Köln (2:0) gewonnen. Auch im neuen Jahr schien es, als hätte der Nachfolger von Urs Fischer mit der Mannschaft die Kurve bekommen. Anfang März hatte Union noch acht Zähler Vorsprung auf den Relegationsplatz. Nach der Niederlage gegen Bochum ist es lediglich noch ein Punkt, der die Mannschaft von der Abstiegszone distanziert.
„Ich freue mich auf die Aufgabe und bin überzeugt, dass uns der Klassenerhalt gelingen wird. Unsere Mannschaft kenne ich gut und weiß, dass wir mit vereinten Kräften in der Lage sind, die nötigen Punkte zu holen“, sagt Grote und glaubt an eine erfolgreiche Rettungsmission. Nach dem Aus von Fischer hatte der 51-Jährige die Mannschaft schon in der Hinrunde beim 1:1 gegen den FC Augsburg betreut. Während seine Co-Trainerin Marie-Louise Eta danach dauerhaft im Trainerstab der Profis blieb und damit bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, rückte der gebürtige Bremer zurück in den Nachwuchs zur U19.
Das Aus von Bjelica kam auch deshalb nicht überraschend, weil der Trainer spätestens seit vergangener Woche auf einem äußerst wackligen Stuhl saß. Das Fachmagazin Kicker hatte berichtet, dass eine Trennung zum Saisonende bereits beschlossene Sache sei, unabhängig vom Ausgang dieser Spielzeit. Zingler hatte sich zu diesem Umstand nicht geäußert. Das Ende der Zusammenarbeit belegt nun, dass Bjelica keinesfalls unantastbar war. Mehrfach hatten sich Spieler über die Trainingsmethoden des Fischer-Nachfolgers beschwert. Auf eine ausführliche Videoanalyse hatte er seit seinem Amtsantritt beispielsweise gänzlich verzichtet.
„Es ist richtig, dass ich kein Trainer bin, der die meiste Zeit am Computer verbringt und sich ständig mit Datenanalyse beschäftigt. Dafür bin ich nicht zu begeistern, weil ich der Meinung bin, dass man die Spieler nicht überfrachten sollte“, hatte Bjelica noch im April im Exklusiv-Interview mit der Berliner Zeitung auf die Frage nach seinen Trainingsmethoden geantwortet.
Auf Grote, Eta und Bönig, der sich seinerzeit nach der Trennung von Fischer eine Auszeit erbeten hatte und zuletzt als Betreuer der Leihspieler zu Union zurückgekehrt war, wartet eine schwierige, aber nicht unlösbare Aufgabe. Mit zwei Siegen in Köln und zum Saisonabschluss gegen den SC Freiburg (18. Mai, 15.30 Uhr) würde Union den Klassenverbleib aus eigener Kraft schaffen. Allerdings spricht der Trend klar gegen die Köpenicker. Aus den vergangenen zehn Bundesligapartien gab es nur einen Sieg. Zum Vergleich: Hauptkonkurrent Mainz verlor keines der vergangenen sieben Spiele.
„Es gibt keine Erklärung für das, was in der ersten Halbzeit passiert ist. Ansonsten hätten wir es da schon versucht abzustellen“, war Rani Khedira nach Abpfiff des Bochum-Spiels ratlos. „Eigentlich hat uns die Gänsehaut-Atmosphäre, die heute schon vor Anpfiff auf den Rängen geherrscht hat, total gepusht. Vielleicht haben wir aber auch überdreht und uns damit selbst den Stecker gezogen“, mutmaßte der Routinier.
Die Anhänger der Hausherren hatten die Alte Försterei schon vor Anpfiff in ein Fahnenmeer getaucht, nicht ahnend, dass die eigenen Spieler wenig später selbst die weiße Flagge hissen würden. Während Bochum aggressiv und in jeder einzelnen Aktion wild entschlossen auftrat, wirkten die Profis des Tabellen-15. wie gelähmt. Eine kollektive Schockstarre hatte sich früh auf dem Platz verbreitet, Ungläubigkeit vermischte sich auf den Tribünen mit Entsetzen. Das, was auf dem Platz passierte, hatte mit dem 1. FC Union der vergangenen Jahre in keiner Facette mehr zu tun. Für Nenad Bjelica bleibt dies der letzte Eindruck aus der Alten Försterei.