Mehr als nur ein Lüftchen: Ein international tätiger Schweizer Stromhändler widerlegt Kritiker der Windenergie

mehr als nur ein lüftchen: ein international tätiger schweizer stromhändler widerlegt kritiker der windenergie

Besonders wertvoll, wenn in Deutschland Flaute herrscht: Windräder des Entwicklers Swisswinds auf dem Nufenenpass. Denis Balibouse / Reuters

Wenn der Meteorologe Vasilis Pappas vom Schweizer Wetter spricht, gerät er ins Schwärmen. Es sei viel abwechslungsreicher als in Deutschland und Grossbritannien, wo er lange gearbeitet hat. Dort sei es meist bedeckt und grau, sagt er beim Treffen am Firmensitz des Energiehändlers MET Group in Baar. Doch in der Schweiz gebe es ungewöhnliche Phänomene wie den Föhn oder die Bise. Besonders angetan haben es dem aus Griechenland stammenden Pappas die Schweizer Frühlingsstürme.

Die MET Group ist ein grosser privater Energiehändler mit Sitz im Kanton Zug, der den Grossteil seines Geldes mit dem Handel von Erdgas und Strom macht. Das Unternehmen beschäftigt knapp 1000 Leute und ist in vierzehn europäischen Ländern sowie in Singapur präsent. Üblicherweise analysiert Pappas das Wetter in Europa, denn dieses ist für die Energiehändler entscheidend. Sonnige und windige Tage führen oft zu einem Überangebot an Strom, was die Preise an der Strombörse abstürzen lässt. Bewölkte oder windstille Tage bewirken das Gegenteil.

Kaum Segelboote auf dem Zürichsee

Vor kurzem hat sich Pappas einen Markt genauer angeschaut, der bisher nicht im Fokus der MET Group stand: die Schweiz. Pappas wollte herausfinden, ob das Land geeignet ist für den Bau von Windenergieanlagen. Und ob es sich für sein Unternehmen lohnt, zu investieren.

Dies, obwohl Kritiker der Meinung sind, Windenergie sei hier untauglich. So etwa die Initianten der letzte Woche eingereichten «Blackout stoppen»-Initiative, die das Neubauverbot für Kernkraftwerke aufheben wollen. «Windenergie ist in der dichtbesiedelten und windarmen Schweiz zur Stromproduktion nicht geeignet», heisst es auf ihrer Website. Wer um den Zürichsee herum wohne, wisse das: «Es gibt da kaum Segelboote, weil es kaum je windet.»

Bläst es in der Schweiz zu wenig für die Windenergie? Die Beantwortung dieser Frage war für Pappas eine grosse Herausforderung. Dafür musste er Windgeschwindigkeit und Windrichtung simulieren. In der meist hügligen oder bergigen Schweiz ist das deutlich schwieriger als in mehrheitlich flachen Ländern wie Deutschland oder Grossbritannien.

Für seine Analyse stützte sich Pappas darum nicht nur auf Schweizer Wetterdaten. Er fütterte seine Computer auch mit umfangreichen Zahlen, die im Rahmen eines Weltraumprogramms der Europäischen Union erhoben werden.

Das Problem dabei: Am Schluss resultierte eine enorme Menge an Szenarien zur Windsituation in der Schweiz. Um des Datenbergs Herr zu werden, setzte Pappas künstliche Intelligenz ein. Diese Methoden hatte er schon für die Beurteilung der Windenergieausbeute in anderen europäischen Regionen genutzt. So schaffte er es, die Szenarien auf die Handvoll zu reduzieren, die am wahrscheinlichsten ist.

Das Resultat: «Die Schweiz verfügt über ein beachtliches Windkraftpotenzial», sagt Pappas. Investitionen in die Windkraft seien sinnvoll, und es gebe zahlreiche vielversprechende Standorte. Da ist zum einen die Westschweiz, wo die meisten der 47 existierenden Schweizer Windturbinen stehen. Ertragreiche Gebiete gebe es auch anderswo: etwa im Mittelland zwischen dem Jura und der Alpennordseite, in den Föhntälern nördlich der Alpen oder entlang der Alpenpässe. Zum Vergleich: Im flächenmässig doppelt so grossen Österreich stehen heute rund 1400 Windräder.

«Als Meteorologe war mir klar, dass es gerade in den Alpen sehr windig sein kann», sagt Pappas im Rückblick. Trotzdem gab es für ihn neue Erkenntnisse: etwa die, dass die Winde in der Schweiz oft sehr gleichmässig wehen und relativ selten die Richtung wechseln. Beides ist für Windturbinen ideal.

Es gibt weitere Faktoren, die Windräder in der Schweiz gemäss Pappas sinnvoll und finanziell lukrativ machen. Sie liefern oftmals genau dann Strom, wenn dieser besonders begehrt ist. Der grössere Teil des Ertrags fällt im Winter an – dann also, wenn der Strom in der Schweiz knapp wird, weil wir mehr verbrauchen und die Wasserkraft weniger produziert.

Häufig gibt es zudem Grosswetterlagen, bei denen der Wind und damit der Windenergieertrag im benachbarten Deutschland und in Frankreich abflaut, während es in der Schweiz dagegen stärker zu blasen beginnt. Der Grund sind Stürme, die sich im Atlantik zusammenbrauen, dann aber in Richtung Südeuropa und in die Schweiz abgelenkt werden.

In solchen Situationen ist heimischer Windstrom besonders wertvoll. Ähnliches gilt, wenn die Schweiz Strom importieren möchte, an der Grenze aber wegen des verkorksten Verhältnisses zu Europa die nötigen Kapazitäten fehlen – eine Situation, welche häufiger werden dürfte.

Die MET Group hat darum beschlossen, zu investieren. Sie hat vor kurzem 25 Prozent an dem im Wallis ansässigen Windparkentwickler Swisswinds übernommen. Dieser erarbeitet derzeit Projekte für mehrere Windparks in der Schweiz.

Beim Entscheid haben nicht nur die Auswertungen des hauseigenen Meteorologen eine Rolle gespielt. Sondern auch Erkenntnisse über die Technologieentwicklung. Windturbinen sind in den letzten Jahren nicht nur grösser und leistungsfähiger geworden. Dank Technologien, die auch in der Formel 1 oder beim Bau von Flugzeugen zum Einsatz kommen, können sie zudem schwächere Winde besser nutzen, wie Christian Hürlimann, CEO Renewables bei der MET Group, erklärt.

Auch die Wartung ist heute einfacher. Das ist wichtig, denn in der Schweiz sollen Windräder in Gebieten entstehen, wo im Winter meterhoch Schnee liegt. Das macht die Anlagen bei Schäden praktisch unzugänglich.

Die Hersteller der Windturbinen setzen darum auf die vorausschauende Wartung, wie Hürlimann erklärt. Sensoren messen, wie sauber jede einzelne Windturbine läuft. Ungewöhnliche Geräusche, Vibrationen und Temperaturschwankungen werden mittels künstlicher Intelligenz analysiert.

Je nach Resultat empfehlen die Programme, Bauteile vorausschauend auszuwechseln. Das geschieht möglichst im Sommer – dann, wenn die Windenergie ohnehin weniger produziert. So wird dafür gesorgt, dass Schäden im lukrativen Winter die Ausnahme bleiben.

Warnungen bei Vogelschwärmen

Windräder haben sich laut Hürlimann auch anderweitig weiterentwickelt. Sie können mit Systemen ausgerüstet werden, welche die Rotoren enteisen. Warnsysteme sorgen dafür, dass die Anlagen abgestellt werden, wenn grosse Vogelschwärme in der Nähe sind.

Hürlimann sagt, die Schweiz brauche eine Mischung aus möglichst unterschiedlichen Stromproduktionstechnologien. Er ist aber überzeugt: «Die Windenergie kann einen äusserst wichtigen Teil für die Versorgung im Winter leisten.»

Das sehen auch andere Investoren so. Der Stromkonzern Axpo hat vor einigen Monaten bekanntgegeben, er wolle vermehrt Windparks in der Schweiz bauen. Auch bei den Kunden wächst das Interesse. Bereits hat sich ein grosses Schweizer Industrieunternehmen bei Christian Hürlimann gemeldet. Es würde ihm gerne die in der Schweiz produzierte Windenergie abnehmen, um seine lokalen Fabriken möglichst CO2-neutral zu machen.

Für Hürlimann ist darum klar: «Wir wollen an interessanten Standorten in der Schweiz weitere Windanlagen bauen.» Wo genau, will er noch nicht sagen.

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