Tschetschenien: Der Kreml sorgt sich um Ramsan Kadyrow

tschetschenien: der kreml sorgt sich um ramsan kadyrow

Alles in bester Ordnung? Auf diesem 2023 von der staatlichen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichen Foto trifft sich Putin mit Kadyrow.

Schon lange wird über den Gesundheitszustand von Ramsan Kadyrow Übles erzählt. Mehrfach ist der 47 Jahre alte Herrscher der Teilrepublik Tschetschenien im russischen Nordkaukasus gar totgesagt worden. Bisher tauchte Kadyrow immer wieder auf. Doch er spricht schleppender und sieht zusehends aufgeschwemmt aus. Nun hat das Exilmedium „Nowaja Gaseta Jewropa“ erstmals über eine Diagnose berichtet. Im Januar 2019 sei sie gestellt worden und laute: nekrotisierende Pankreatitis. Dabei stirbt ein Teil der Bauchspeicheldrüse ab, es drohen Infektionen.

Der Kreml sei so beunruhigt, dass er einen Nachfolger in Stellung bringe, schreibt die Online-Zeitung. Als Autor ist die Investigativabteilung angegeben, ohne Namen. Auch Quellen bleiben anonym. Sie leben gefährlich. Markenzeichen tschetschenischer Macht sind Stärke und Gewalt. Siechtum, Angst und Schlaflosigkeit, die Kadyrow auch zugeschrieben werden, passen dazu nicht.

Nach dem Bericht wird Kadyrow seit 2019 mindestens zweimal im Jahr im Zentralen Klinischen Krankenhaus in Moskau behandelt, das zur Präsidialverwaltung gehört. Auch chirurgische Eingriffe würden vorgenommen. Eine Corona-Erkrankung 2020 habe Kadyrows Probleme verschärft. 2022 habe sich seine Gesundheit „rapide verschlechtert“. Die Nieren hätten versagt, in der Lunge habe sich Flüssigkeit gesammelt. Er habe begonnen, „unter Schwierigkeiten zu sprechen, langsam zu gehen, sich für das tschetschenische Klima zu warm anzuziehen“.

Vom Koma zu „lebendig und gesund“

Die Zeitung berief sich auf Quellen im Krankenhaus, denen zufolge Kadyrow im September 2023 mit Atembeschwerden dort eingeliefert wurde. Ein Beruhigungsmittel sei überdosiert worden. Kadyrow sei künstlich beatmet und ins Koma versetzt worden. Seinerzeit kursierten Gerüchte, Kadyrow sei ins Koma gefallen. Daraufhin veröffentlichte Kadyrows eigener Kanal Aufnahmen, die ihn in dem Krankenhaus zeigten, aber am Bett eines Onkels. Er selbst sei „lebendig und gesund“, so Kadyrow.

Nun berichtete die „Nowaja Gaseta Jewropa“, damals sei Kadyrows Zustand stabilisiert worden. Doch habe eine Hirnuntersuchung seine Familie „deprimiert“. Eine – nicht näher bezeichnete – neue Krankheit werde Kadyrow so beeinflussen, dass er „nicht mehr der frühere Anführer sein wird“, zitierte die Zeitung eine Quelle, die Adam Delimchanow nahestehe, einem Schlüsselgefolgsmann des Herrschers.

Laut der Zeitung begann der Kreml eine „PR-Kampagne“, um von Kadyrows Gesundheit abzulenken. Es habe Treffen mit Präsident Wladimir Putin gegeben; außerdem veröffentlichte Kadyrow ein Video, das zeigt, wie sein damals 15 Jahre alter Sohn Adam einen Häftling verprügelt, dem vorgeworfen wird, ein Exemplar des Korans verbrannt zu haben. Der Sohn erhielt etliche Auszeichnungen.

So sei es gelungen, das Thema zu verdrängen, hieß es im Bericht weiter. Als Kadyrow Ende September nach Tschetschenien zurückgekehrt war, gab es eine Flut von Meldungen über die Aktivitäten des Herrschers. Doch dann habe Putins Präsidialverwaltung begonnen, sich auf einen Machtwechsel in Tschetschenien vorzubereiten.

Ein Dauergast im russischen Staatsfernsehen

Kadyrows Söhne sind dafür zu jung. Der mit 18 Jahren älteste heißt Achmat nach seinem 2004 bei einem Bombenattentat getöteten Großvater. Auf diesen war der damals 27 Jahre alte Ramsan Kadyrow formal nicht direkt gefolgt, sondern nach einer Reihe anderer Posten erst im Frühjahr 2007, als er 30 Jahre und damit alt genug war.

Die Zeitung geht davon aus, dass für eine Nachfolge Kadyrows nun der Kommandeur der Spezialeinheit „Achmat“, Apti Alaudinow, vorgesehen ist. Dieser ist Dauergast im russischen Staatsfernsehen und sprach auf der Sitzung der Machtpartei „Einiges Russland“, die Putins neuerliche Kandidatur für das Präsidentenamt unterstützte.

Wohl, um den fatalen Eindruck durch den Bericht zu zerstreuen, veröffentlichte Kadyrows Telegram-Kanal kurz darauf Aufnahmen von einer Sitzung mit Kadyrow zum Ukrainekrieg. Darin sitzt er starr auf seinem Stuhl, sieht erschöpft aus, spricht sehr langsam. Der Clip alarmiert.

Im sozialen Netzwerk VK wurde daraufhin alsbald ein Video des Herrschers beim Krafttraining veröffentlicht. Er stemmt Gewichte, lächelt, feuert einen Partner an, wirft ihn zu Boden. Dazu läuft ein Lied, das mit den Worten schließt: „Geb Gott, Vertrauter, dass du ewig lebst.“ Unklar ist, wann diese Bilder entstanden.

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