Die Welt steht in Flammen – und wir reden über ein Fasnachtstram

In Zeiten von Krieg und Krise wartet der Grosse Rat mit abstrusen Forderungen auf. Es wird Zeit für einen Realitätscheck.

die welt steht in flammen – und wir reden über ein fasnachtstram

Debattiert über Fasnachtstram und gendergerechte Wahlzettel: Der Basler Grosse Rat.

Steht die Welt am Abgrund eines neuerlichen Weltkriegs? Aus der Ukraine kamen zuletzt nur noch schlechte Neuigkeiten. Die Russen gewinnen an Momentum, die ukrainischen Verteidiger geraten noch mehr unter Druck. Fällt Kiew, könnte sich Putin bald der nächsten militärischen «Spezialoperation» im Baltikum, in Polen oder Finnland zuwenden. Derweil schliesst der französische Präsident den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht aus – was auf eine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland hinauslaufen würde.

Hinzu kommen die Krisenherde im Nahen Osten, Chinas bedrohliches Säbelrasseln gegenüber Taiwan und eine US-Wahl, an deren Ende möglicherweise Donald Trump ins Weisse Haus zurückkehrt – mit unwägbaren Folgen für die Sicherheit Europas. Es droht eine Multiplikation der Krisen und daraus ein Flächenbrand, der unsere vermeintlich heile Welt auch in der Schweiz ernsthaft bedroht.

Und die Politik?

Die hat zumindest im Kanton Basel-Stadt ganz andere Prioritäten. Zum Beispiel ein Fasnachtstram. Ein solches fordert LDP-Grossrat Adrian Iselin in einem aktuellen Vorstoss. Mitte-Grossrat Bruno Lötscher-Steiger hat seinerseits nicht gendergerechte Wahlzettel als akutes «Problem» identifiziert.

Man kann sich ob so viel Weltentrücktheit nur noch die Augen reiben. Sie zeugt von einer fast schon provokativen Naivität. Möge die Welt in Flammen aufgehen, Hauptsache, wir haben ein Fasnachts-Drämmli.

Die gegenwärtige Weltlage mag den Kontrast zwischen dem Ernst der Zeit und dem Unernst mancher Basler Politiker zwar schärfer betonen, aber das Problem reicht tiefer und geht schon auf die Zeit vor Pandemie und Ukraine-Krieg zurück. Das Parlament dieses fast schon unverschämt reichen Kantons lässt sich immer wieder dazu verleiten, Politik als Spassveranstaltung zu betreiben und mit Juxvorstössen aufzuwarten.

Seien es eine Wasserrutsche in den oder Vaporetti auf dem Rhein, Lavabos an öffentlichen Recyclingstationen, KI in der Kunst oder eine spezielle Grabstätte für FCB-Fans auf dem Hörnli: Manchen Grossrätinnen und Grossräten ist keine Forderung zu abstrus, um sie nicht zu Papier zu bringen, einzureichen und damit die Regierung und die Verwaltung zu beschäftigen und sich selber zu profilieren am Rednerpult.

LDP-Grossrat Heiner Vischer setzte im Dezember 2020 die vorläufige Tiefstmarke, als er anregte, der Kanton Basel-Stadt möge einen Tiramisù-Weltrekord aufstellen mit einem gigantischen Gebäck in Form eines Baslerstabs. Das war zur Hochzeit der Pandemie, als die Spitäler am Limit liefen und das medizinische Personal am Rande der Erschöpfung arbeitete, während das Gewerbe um seine Existenz bangte.

Just in diesem Moment kam der Liberale mit seinem Tiramisù, was von einer fast schon beneidenswerten Unbekümmertheit zeugte. An der Lebensrealität der Menschen in diesem Kanton zielte diese Forderung aber weiter vorbei, als es der FCB dieser Tage tut, wenn er aufs gegnerische Tor schiesst.

Fairerweise muss man sagen, dass die allermeisten Parlamentarier ihrer Arbeit die meiste Zeit mit dem gebotenen Ernst nachgehen und sich um praktische Probleme kümmern. Die Juxvorstösse sind Ausreisser, was sie aber nicht weniger stossend macht. Sie senden ein zweifelhaftes Signal an die Bevölkerung, die sich zu Recht fragen mag, weshalb das Problem mit den viel zu hohen Krankenkassenprämien ungelöst bleibt oder Schulhäuser im Drogenhotspot im Kleinbasel von Security bewacht werden müssen, während das Parlament über Mandalas im Kunstmuseum diskutiert.

Das Phänomen zieht sich quer durch fast alle Parteien, wobei allerdings ausgerechnet Vertreter der LDP besonders geneigt scheinen, Schönwettervorstösse einzureichen. Die Vaporetti und das Tiramisù wurden bereits genannt. Erinnert werden darf auch an den Vorschlag von Michael Hug, Sonnensegel über der Freien Strasse zu spannen und diese auch noch zu begrünen – eine Idee, die gemäss Kantonsbaumeister Beat Aeberhard dem Realitätscheck kaum standhält.

Somit bleibt es bei netten Ideen und schönen Visionen, und das ausgerechnet von einer Partei, die als stärkste bürgerliche Fraktion im Parlament und mit zwei Sitzen in der Regierung neben der SP als staatstragende Kraft agiert – oder besser: agieren sollte.

Ist es die viel beschworene Wohlstandsverwahrlosung, die in solche Juxvorstösse mündet? Ziemlich sicher schon. Auf Dauer werden wir uns diese Unbeschwertheit nicht mehr leisten können.

Dabei gäbe es schon jetzt weitaus drängendere Fragen: Hat es genug Schutzräume im Kanton für alle Menschen, sollte es einmal zum Äussersten kommen und auch Bomben über der Schweiz fallen, wie der Chef der Armee inzwischen nicht mehr ausschliesst? Sind wir gegen weitere Cyberangriffe aus Russland oder China gewappnet? Ist die Arzneimittel-Produktion in der Schweiz gesichert trotz vermehrter Auslagerung nach Slowenien und in weitere EU-Länder? Sind unsere Schülerinnen und Schüler bereit für den Umgang mit KI, und können sie Fake News und Desinformationskampagnen erkennen und benennen? Und wie werden wir den Problemen im Asylwesen Herr, bei anhaltend hoher Zuwanderung?

Mit diesen Fragen sollte sich die Politik beschäftigen, bevor sie Judihui-Ideen kontempliert. Es mag eine demokratiepolitisch umstrittene Überlegung sein, aber vielleicht müsste sich das Parlament tatsächlich eine Limite bei der Anzahl Vorstösse auferlegen, damit die Volksvertreter sich auf die wichtigen Dinge konzentrieren, statt einfach jede noch so abstruse Idee rauszuhauen.

Schnitzelbänkler Heiri hat es an der letzten Fasnacht auf den Punkt gebracht, ihm gebührt hier das letzte – nachdenkliche – Wort:

Im nooche Oschte fliege d Bombe. Mr lääbe in dunkle Zyte. 

Die chlyyne Chinder lyyde, well die alte Duuble stryte. 

In Russland nimmt dr Putin die grosse Rageete füüre. 

Und mir diskutiere über d’Farb von Gender-WC-Tüüre.

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