Cannabisgesetz: Warum die Niederlande sich schwer mit Deutschland vergleichen lassen

Mit dem neuen Cannabisgesetz wird vieles schlimmer, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer kürzlich. Er bezog sich dabei auch auf die Niederlande. Wie berechtigt ist das?

cannabisgesetz: warum die niederlande sich schwer mit deutschland vergleichen lassen

Drogen sind ein wichtiger Teil, aber die organisierte Kriminalität beinhaltet viel mehr”, sagt die niederländische Expertin Margriet van Laar. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Dresden. “Es ist eine Büchse der Pandora, die Sie öffnen, die Sie nie wieder geschlossen bekommen.” So habe ihn der amtierende niederländische Ministerpräsident Mark Rutte gewarnt, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) vor der Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes im Bundesrat. Es gibt aber wichtige Unterschiede zwischen den Niederlanden und Deutschland im Umgang mit “Gras”. Fünf Fragen und Antworten.

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Was fürchtet Kretschmer genau, wenn er die Niederlande beobachtet?

“Der Ministerpräsident hat mit Blick auf die Niederlande darauf verwiesen, dass die erhofften positiven Effekte einer Legalisierung wie die Eindämmung des Schwarzmarktes oder der Bandenkriminalität gerade nicht eingetreten sind”, antwortet Regierungssprecher Ralph Schreiber.

Vor allem in den vergangenen Jahren würden die Niederlande “ein immer stärkeres Problem” mit organisierter Kriminalität erleben. Der Pressesprecher nennt das Beispiel von dem Mord an den bekannten Journalisten Peter R. de Vries, der 2021 auf der Straße in Amsterdam erschossen wurde.

Kretschmer hat vor der Verabschiedung des deutschen Cannabisgesetzes auch gewarnt vor den gesundheitlichen Folgen der Legalisierung, insbesondere für junge, heranwachsende Menschen.

Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen den Niederlanden und Deutschland im Umgang mit Cannabis?

In den Niederlanden gilt seit 1976 eine sogenannte Duldungspolitik – auf Niederländisch: “gedoogbeleid”. Das heißt: Spezialläden, Coffeeshops, können unter strengen Bedingungen Marihuana und Haschisch verkaufen an Erwachsene. Der Besitz von kleinen Mengen, maximal fünf Gramm pro Person, wird nicht strafrechtlich verfolgt.

Coffeeshops dürfen Cannabis offiziell nicht einkaufen. Bei der Lieferung von Cannabis durch “die Hintertür” schauen die Ordnungshüter aber weg. Dadurch ist es unklar, wo die verkauften waren Waren genau herkommen.

In Deutschland ist der Konsum von Cannabis seit diesem Monat teilweise legalisiert. Wer 18 und älter ist, darf zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren und draußen maximal 25 Gramm mit sich führen. Deutschland hat im Gegensatz zu den Niederlanden keinen geduldeten kommerziellen Markt. Ab Juli dürfen sich Anbauvereinigungen beschäftigen mit dem gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau von Cannabis. Sie müssen den zuständigen Behörden im Voraus unter anderem genau sagen, wie groß die Anbauflächen ist und welche Sicherungs- und Schutzmaßnahmen sie planen.

Wie groß ist der Einfluss der niederländischen Duldungspolitik auf der organisierten Kriminalität?

Genaue Zahlen hat Margriet van Laar, “Head Drug Monitoring & Policy” der niederländischen Wissensplattform das “Trimbos-instituut”, nicht. Die Lieferung von Cannabis durch “die Hintertür” habe aber auf jeden Fall dafür gesorgt, dass es in den Niederlanden einen illegalen Markt geben musste. “Denn sonst gäbe es keine Coffeeshops”, erklärt Van Laar.

Trotzdem würde es in den Niederlanden ohne Duldungspolitik auch Drogenkriminalität geben. “Solange ein erheblicher Anteil der Drogen für das Ausland bestimmt ist und dies lukrativ bleibt, ist das nicht nur durch eine Regulierung für ‘die Hintertür’ zu ändern.”

Die Niederlande wären überhaupt “ein ziemlich attraktives Land” für die Drogenkriminalität. Das hat laut Van Laar beispielsweise mit der Lage des Landes und der Bevölkerungsstruktur zu tun.

Drogenkriminalität wird auch oft, nicht ganz berechtigt, im gleichen Atemzug mit der organisierten Kriminalität genannt, bemerkt Van Laar. “Drogen sind ein wichtiger Teil, aber die organisierte Kriminalität beinhaltet viel mehr. Waffen-, Kinder- und Frauenhandel zum Beispiel. Darüber sollte es keine Naivität geben.”

Wie groß ist der Einfluss der niederländischen Duldungspolitik auf dem Cannabiskonsum der Jugendlichen?

Der Anteil der 15- bis 34-Jährigen, die im letzten Monat gekifft haben, sind in beiden Ländern ähnlich. Bei den westlichen Nachbarn waren es 2021 um 11,2 Prozent und hier zu Lande um die 8,4 Prozent. Das zeigt eine Übersicht vom “Trimbos-instituut”, mit Zahlen der Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. Die verschiedene Messmethoden der europäischen Länder würden einen genauen Vergleich aber schwer möglich machen.

Ein klares Verhältnis zwischen Cannabispolitik und dem Konsum von Cannabis hätte es nie gegeben. Van Laar nennt ein Beispiel aus der 1990er Jahren. “In sehr vielen Ländern hat den Cannabiskonsum damals zugenommen, nicht nur in den Niederlanden. Auch in den USA war der Konsum viel höher, obwohl der dort streng verboten war.”

Trotzdem gäbe es Hinweise, die zeigen, dass der legalisierte Verkauf und die Sichtbarkeit von Cannabis in gewisser Weise die Hemmschwelle für den Konsum gesenkt haben.

Sind die Niederlande ein Negativbeispiel?

Cannabis kann schwerwiegende Folgen für Jugendliche haben und Legalisierung kann zu illegalen Handlungen führen. Wer kontrolliert zum Beispiel, ob Anbauvereinigungen kein Gras an Nichtmitglieder verkaufen? Es ist deshalb wichtig für Deutschland wachsam zu bleiben, weiterhin von den Gesundheitsgefahren von Cannabis zu warnen und die Fortschritte der Legalisierung zu überwachen, sagt Van Laar.

Aber: “Was in den Niederlanden passiert, kann nicht mit anderen Ländern verglichen werden”, betont die Expertin. Die Niederlande suchen noch nach einem Weg, den Anbau zu legalisieren. “Deutschland macht es jetzt an beiden Fronten, sowohl beim Konsum als auch beim Anbau.”

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