Old Masters in New York: Von leidenschaftlichen Sammlern

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Bei Christie’s auf sieben bis zehn Millionen Dollar taxiert: Giambologna, „Mars“ aus der Sammlung Quentin, gegossen vor 1577 wahrscheinlich um 1566 von Zanobi Portigiani, Bronze, 39,6 Zentimeter hoch

Wie Immobilienmakler lassen Auktionshäuser sich gern zu Superlativen hinreißen, um für ihre Ware zu werben. Bei dieser Sammlung von Statuetten der Renaissance und des Barocks scheint aber tatsächlich kein Superlativ zu klein: Von der argentinischen Industriellenenkelin Claudia Quentin mit leidenschaftlicher Kennerschaft zusammengetragen, vereint die Kollektion Werke höchster Kunstfertigkeit. Das konnten Besucher schon vor zwanzig Jahren erkennen, als ein Großteil der Kleinplastiken in der New Yorker Frick Collection ausgestellt wurde, begleitet von einem fundierten Katalog. Inzwischen ist Claudia Quentin, die ihren ersten Kauf – einen bronzenen Putto aus Nürnberg – mit 23 Jahren bei der Münchner Kunsthandlung Böhler tätigte, älter geworden und reist nur noch selten aus ihrer Heimat nach New York, wo die einer Stiftung einverleibten Kunstwerke in ihrer Wohnung residierten. Deswegen hat sie sich nun zum Verkauf entschlossen.

Mit fünfzehn exquisiten Losen aus der Sammlung macht Christie’s am 30. Januar den Auftakt zur Altmeisterwoche in New York. Im Juni folgt in Paris eine Auswahl kleinerer Objekte, die sich eher für den intimeren Charakter der von Pariser Connaisseuren bevorzugten Wohnungseinrichtung eignet. Das mit bis zu zehn Millionen Dollar ausgezeichnete Spitzen­los der New Yorker Auktion ist der nackt schreitende Mars von Giambologna, ein Exemplar von nur fünf Güssen der berühmten Kleinbronze, die noch im 16. Jahrhundert gefertigt wurden.

Dazu zählt auch jener Guss, den der flämische Hofbildhauer der Medici dem sächsischen Kurfürsten Christian I. zum Regierungsanritt im Jahr 1587 schenkte. Diese 1924 im Rahmen der Fürstenabfindung aus der Dresdner Skulpturensammlung herausgelöste Bronze geriet 2018 in die Schlagzeilen, als sie bei Sotheby’s in London mit einem Schätzwert von drei bis fünf Millionen Pfund versteigert werden sollte. Bevor der Protest gegen den geplanten Verkauf bewirkte, dass der Mars wieder in die Staatliche Kunstsammlung zurückkehrte, brachte ihn Sotheby‘s zur Vorbesichtigung nach New York. Dort konnte er im Metropolitan Museum neben seinem Quentiner Double gemustert werden. Im Ermessen der Fachleute stand die technische Versiertheit der wahrscheinlich von Antonio Susini vorgenommenen Ziselierung und Politur der Dresdner Statuette außer Frage. Im Vergleich zu der die Frische und Unmittelbarkeit des Wachsmodells bewahrenden Oberfläche des Zanobi Portigiani zugeschriebenen Gusses aus der Sammlung Quentin empfanden sie jedoch, dass Susinis veredelnde Nachbesserung die Dynamik der Dresdner Figur verminderte.

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Bei Sotheby’s auf drei bis fünf Millionen Dollar geschätzt: Peter Paul Rubens, „Selbstporträt des Künstlers als junger Mann“, um 1610, Öl auf Holz, 55,5 mal 40 Zentimeter

Ob die bronzene Venus von Carlo di Cesare del Palagio (Taxe bis zu zwei Millionen Dollar), der polychrome Herkules des Niederländers Willem Danielszoon van Tetrode (bis 800.000) oder die Mars und Vulkan darstellenden, bronzierten Terrakotten von Giovanni Bandini (bis 1,5 Millionen): Jedes Stück besticht durch außergewöhnliche Qualität.

Die Händlerin Pat Wengraf, die maßgeblich am Aufbau der Sammlung Quentin beteiligt war, rechnet damit, dass die Versteigerungen neue Käufer anlocken werden. Jede Sammlung spiegelt, so Wengraf, den Zeitgeschmack. Unter dem Einfluss der Kunsthistoriker Wilhelm von Bode und Leo Planiscig hätten frühere Sammler norditalienische Bronzen ­favorisiert, oft im Stile des Paduaners An­drea Riccio, dessen leicht bewegliche Tintenfässer, Schreibsandstreuer und Öllampen sich großer Beliebtheit erfreuten. Seit den Siebzigerjahren mache sich, wie die jetzt von Christie’s angebotenen Stücke belegen, ein Hang zu lebendigeren und mitunter deutlich erotischeren Werken florentinischer sowie niederländischer Künstler bemerkbar.

Sotheby’s muss seine Altmeisterauktionen ohne die Trumpfkarte des mit 35 Millionen Dollar veranschlagten Velázquez-Porträts der Königin Isabella von Bourbon bestreiten, das, wie ein ganzseitiger Beitrag in der spanischen Zeitung „El País“ nachgezeichnet hat, seit seiner Entführung aus Spanien in den napoleonischen Kriegen mehrere Stationen durchlaufen hat. Inzwischen gehört es einer Familienstiftung – „El País“ nennt die Wildenstein-Kunsthändlerdynastie –, deren Mitglieder anscheinend untereinander noch einiges zu klären haben, bevor sie das Gemälde zum Verkauf freigeben. In der Auktion am 1. Februar halten andere Spanier die Stellung, allen voran Luis Meléndez. Dessen mit zwei bis drei Millionen Dollar taxiertes Stillleben mit Artischocken und Tomaten war im Mai 2019 bei Christie’s mit zwei bis vier Millionen beziffert, wurde jedoch vorab zurückgezogen.

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Aus dem Metropolitan Museum und nun auf 600.000 bis 800.000 Euro bei Sotheby’s taxiert: Joshua Reynolds, „Porträt der Nancy Horton, später Vizegräfin Maynard“, um 1771, Öl auf Leinwand, 92,1 mal 71,1 Zentimeter

Während Christie’s am 31. Januar mit 78 Losen antritt, bietet Sotheby’s nur 52 an. Beide Häuser versteigern Bilder, von denen sich das Metropolitan Museum of Art in New York trennt. Vor der Pandemie waren Verkäufe nur erlaubt, wenn die Mittel dem Ankauf neuer Werke dienten. Danach durften Museen eine Zeit lang Objekte aus ihren Sammlungen veräußern, um Fehlbeträge auszugleichen und laufende Kosten wie Gehälter zu decken. Auch das Met hat von dieser umstrittenen Lockerung Gebrauch gemacht. Vor Kurzem hat der Verband der Museumsdirektoren die Vorschriften wieder verändert: Nun sind Verkäufe erlaubt, solange sie der Pflege der Sammlung dienen, die Lagerung und Restaurierung von Kunstwerken eingeschlossen. Mit seinen jetzigen Verkäufen, darunter Werke von Joshua Reynolds, Henry Raeburn, Thomas Gainsborough sowie ein Porträt George Washingtons, von dem zwanzig Versionen bekannt sind, will das Metro­politan Museum die Mittel für Neuerwerbungen aufstocken.

Sowohl Christie’s als auch Sotheby’s bieten Wieder- oder Neuentdeckungen von Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck auf. Sotheby’s hofft bei einem frühen Selbstporträt von Rubens, das bis 1853 in der Familie blieb und 2021 in Schweden als Männerbildnis aus dem Umkreis van Dycks umgerechnet 46.000 Euro erzielte, auf bis zu fünf Millionen Dollar zu kommen. Christie’s erwartet für die Kopfstudie einer alten Frau, die in mehreren Gemälden von Rubens auftaucht, bis zu 600.000 Dollar. Beide Auktionshäuser treten jeweils mit einer Cassone-Tafel des Lo Scheggia genannten jüngeren Bruder Masaccios gegeneinander an. Der mit bis zu 1,5 Millionen Dollar veranschlagte „Triumph des Lucius Aemilius Paullus“ (sic) nach der Schlacht von Pydna ist eine vom holländischen Staat restituierte Tafel aus dem Bestand des niederländischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker. Christie’s hofft für ie Geschichte des Coriolan auf 1,8 Millionen Dollar.

Vier mit Tempera Leinwand gemalte Szenen aus der Passionsgeschichte des Florentiner Niccolò die Pietro Nerini (bis zu 1,8 Millionen) ragen ebenso aus dem Angebot des Auktionshaus heraus wie das auf zwei bis drei Millionen Dollar geschätzte Paar venezianischer Veduten Michele Marieschis, die bis 2008 der Öffentlichkeit unbekannt waren.Die den Betrachter komplizenhaft in ihre Bluttat einbeziehende Judith des Barockmalers Giulio Cesare Procaccini, die vor einem Jahr aus der Sammlung Fish kommend bei Sotheby’s mit Aufschlag gut eine Million Dollar erzielte, kehrt jetzt schon bei der Konkurrenz mit einer Taxe von bis zu 1,5 Millionen wieder.

Auffallend stark ist bei Sotheby’s das Angebot an Zeichnungen, das mit Blättern wie der äußerst seltenen, mit dem Silberstift gezeichneten niederländischen Kopfstudie eines Mannes mit Pelzhut glänzt (bis 500.000). Über die neunzig Lose der fünf Jahrhunderte umfassenden Arbeiten auf Papier hinaus stellen zwei Nächlasse unterschiedliche Sammlertemperamente vor: das eine, Joseph Baillios, systematisch, wissenschaftlich und liebevoll in der Beschäftigung insbesondere mit Élisabeth Vigée Le Brun, das andere, Jimmy Youngers, impulsiv, aber nicht minder eindrucksvoll in der qualitätsbewussten Begeisterung für Manierismus und Barock. Das widerlegt Unkenrufe über die schwindende Kennerschaft auf dem Gebiet alter Kunst. Die Karten werden immer wieder neu gemischt.

old masters in new york: von leidenschaftlichen sammlern

Kunst von Künstlerinnen steigt in der Gunst: Anne Vallayer-Coster, „Gitarre, Tambourin, Jagdhorn, Klarinette, Oboe und Trommel auf einem Marmortisch“, Öl auf Leinwand, 89,2 mal 179,1 Zentimeter, Taxe 500.000 bis 700.000 Dollar bei Christie’s

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