Nach der Haushaltssperre ringen Minister um Projekte

nach der haushaltssperre ringen minister um projekte

ARCHIV: Der deutsche Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck zeigt während einer Pressekonferenz am 14. November 2023 in Berlin auf eine Karte, die das deutsche Wasserstoffnetz zeigt. REUTERS/Fabrizio Bensch

Berlin/Jena (Reuters) – Nach einer vom Bundesfinanzministerium verfügten weitgehenden Haushaltssperre ringt die Ampel-Regierung um die Aufstellung des Etats und die Frage, welche Projekte noch gefördert werden sollen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte mit Blick auf Großprojekte wie eine Intel-Chipfabrik in Magdeburg am Dienstag vor großem volkswirtschaftlichen Schaden, diese Vorhaben nun abzusagen. Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing (FDP) forderte nach der Sperre eine Neupriorisierung im Bundeshaushalt. In einer Anhörung diskutierten Haushälter des Bundestages, ob der Etat 2024 wie geplant aufgestellt werden kann.

Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung vergangene Woche 60 Milliarden Euro gestrichen, weil die Übertragung nicht genutzter Corona-Kredite auf den Klimafonds verfassungswidrig war. Das Geld fehlt der Regierung nun. Am Montag weitete das Bundesfinanzministerium dann die für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verfügte Haushaltssperre auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt aus. Habeck und Wissing begrüßten dies als richtigen Schritt. Der Wirtschaftsminister warnte aber davor, die Projekte, die aus den 60 Milliarden Euro des KTF finanziert werden sollten, nun zur Disposition zu stellen. Die Finanzierung aller Projekte, die bereits einen formalen Förderbescheid bekommen hätten, sei zwar sicher, sagte Habeck auf dem Digitalgipfel in Jena. “Der Umkehrschluss allerdings wäre unzulässig aus meiner Sicht”, fügte er auf die Frage nach Intel hinzu.

“Natürlich können wir auch noch mal priorisieren”, erklärte der Grünen-Politiker. “Aber die Projekte, die wir KTF fördern, sie haben ja mehrfachen Nutzen.” Man dürfe gerade solche Investitionen nicht alleine für sich sehen. Sie seien eingebettet in ein Geflecht von Wirtschaftsbeziehungen. “Teilweise sind Voraufträge ausgelöst worden, teilweise gibt es vorzeitigen Maßnahmenbeginn.”

KETTENREAKTION

Habeck räumte ein, dass das Bundesverfassungsurteil eine “Kettenreaktion” an Entscheidungen ausgelöst habe. Er warnte vor großen Schäden bei einer Streichung, weil die Subventionen viele private Investitionen auslösen würden. Zudem könne ein gesellschaftliches und demokratisches Problem entstehen, wenn etwa Zusagen für neue Arbeitsplätze zurückgenommen würden. “Ich würde auch nicht akzeptieren zu sagen, ‘Na ja, dann geht das eben alles nicht’.” Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vergangenen Freitag bereits betont, er wolle an den milliardenschweren Subventionen für die Intel- und die TSMC-Fabrik festhalten.

Der FDP-Politiker Wissing wollte nicht sagen, wo er eine Neupriorisierung im Haushalt vornehmen wolle. Aber natürlich müsse man sich anschauen, wo es kurzfristig dringenden Bedarf gebe. Habeck betonte, dass in der Ampel-Regierung alle miteinander im Austausch stünden und sich eng koordinierten. Habeck und Wissing hatten zuvor versichert, sehr gut miteinander zusammenzuarbeiten.

Das Bundesverfassungsgericht machte vergangenen Mittwoch bei seiner Entscheidung auch weitere Klarstellungen zur Schuldenbremse im Grundgesetz und zur Rechtmäßigkeit von Krediten. Diese könnten auch Folgen für den laufenden Haushalt 2023 und den geplanten Haushalt 2024 haben. Der Bundesrechnungshof (BRH) und Sachverständige befürchten, dass auch die Etatplanung des Bundes für 2024 verfassungswidrig ist. Sollte der Bundestag den Haushalt 2024 sowie den Wirtschaftsplan des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) “ohne wesentliche Änderungen im Hinblick auf die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts beschließen, hielte der Bundesrechnungshof dies für verfassungsrechtlich höchst risikobehaftet”, heißt es in einer Stellungnahme des BRH für eine Anhörung des Haushaltsausschusses am Dienstag. Die Union forderte bereits einen Nachtragshaushalt.

(Bericht von Andreas Rinke, Holger Hansen; redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter [email protected] (für Politik und Konjunktur) oder [email protected] (für Unternehmen und Märkte).)

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